Lass Dir was generieren, lies (derweil) Kapitel 1-5, hör Dir die Songs (auf casvaine.art) an und geniese am Ende Dein neues (meist launisches) Text-Häppchen. Generiere (finde es am Ende des Kapitels):

Wrap-up der Kapitel 1-5
Ein erster Take zum Geschehen
Sandra und Tom checken was abgeht
bin dran (Momentchen ...)

Kapitel 1-5 (verslangt)

Kapitel 1: B4B dismissed

Game over, noch bevor das Ding überhaupt *richtig* durchstarten konnte. Oder wie Samuel es knallhart auf Insta ballerte: B4B dismissed.

„Der ist *voll* nett“, meinte Sandra zu Undine. Undine hat *derbe* die Augen gerollt, klar, sie kannte Sandras „Todesurteile“ – das war immer so ein Ding bei ihr. Für Undine zählte nur: *Krass* Power, ein *echter* Witz und so'n kleiner Schuss Wahnsinn. Alles andere war *cringe*.

„Was wird jetzt aus der Band?“, Freddy hat sich das so insgeheim gefragt, aber *echt*. Alle anderen, also Dux, Sigi und Tini, die hatten den Braten *längst* gerochen.

„Danke, meine Lieben, für diese *mega* lahmen News!“, hat Samuel reingedrückt und sie einfach stehen lassen.

„So'n melancholischer Drummer“, Freddy hat *geächzt*. Saß da im Styx mit Sonja. „Wie soll der *überhaupt* noch 'nen Beat raushauen?“
„Welchen Beat?“
„Na, den für den nächsten Gig, Alter.“
„Welchen Gig?“
„Ey, Tom, Sandra, Sam und ich – die Band, halt.“
„Ach soooo.“
„Ja, ach so.“ Freddy hatte schon *ewig* kein Bock mehr, irgendwem *irgendwas* zu erklären. Total lost.

Aber mal *ganz ehrlich*, was war das Ende von *was*?

Tom hat halt auf seine Art reagiert. Mit 'nem Cyberpunk-Ding: „Ein Stück Webware mit einer prädigitalen Vergangenheit.“ Erst war der Text so: „Irgendwie geht's immer weiter.“ Aber das hat er *safe* nicht mehr geglaubt.

Die Idee, 'nen Song „B4B“ zu nennen, kam von Dux: „Bro, wär das nicht ein *übelst* geiler Rap?“ Hat dann so diese Finger-Geste gemacht, die Zeigefinger aneinander, und so *leicht* in den Hüften gewippt.
„Ist das die Rapper-Geste für 'Vergiss es?'“, hat Freddy gefragt.
Dux hat nur die Schultern gezuckt. „Nee, Freddylein, das heißt: 'Verpiss dich!'“

Das ganze Drama? Kurz nach der Matura. B4B war da grad mal drei Wochen am Start. Und schon wieder vorbei. So plötzlich wie es angefangen hat. Auf Samuels Party, so im Abspann der Nacht. Zwischen den Resten von Kartoffelsalat, Crackern und Cola. *Wild*.
„B4B“ nannte Freddy am nächsten Tag das Pärchen: „Blond for Blond“, klar.

Alles lief *safe* mit rechten Dingen ab: null Alk, null Ecstasy, null Gras. Die sahen fast aus wie Geschwister: die blonde Sandra und der blonde Tom. „Zwei Pferdeschwänze in Love“, hat Samuel kommentiert. *Mega* cringe, aber auch *irgendwie*.

„Vielleicht waren die wirklich füreinander gemacht“, meinte Tom. „Joa, aber nur so für kurz“, hat Undine direkt gelästert.

Alle anderen fanden's *eigentlich* cool. Tom und Sandra so Händchen haltend durch die City, Tom und Sandra beim Shoppen, Tom und Sandra am Knutschen im Café. *Voll das Traumpaar*, halt.

„Sandra ist *viel zu* tough für Tommy“, das wusste Dux. Hat dann so ne neue Geste rausgehauen: „Mann, kapier doch!“ Keiner hat sie gecheckt.

„Die hat ihn nicht verdient“, meinte Undine und hat ihre rote Mähne geschüttelt. „Bro, die ist die *krasse* Powerfrau und er ist so'n *unendlicher* Langweiler.“
„Die ist zu schwierig für ihn.“
„Ach was, der ist zu anspruchslos!“
Alle schienen *echt* alles über jeden zu wissen. Nur nicht, warum es wirklich mit den beiden in die Binsen ging: **Sandra verliebte sich in Tini.** *Bäm!*

„Du bist... lesbisch?“, Tom hat *echt* gestottert. Saß hinterm Schlagzeug. Erst hatten sie Sex, dann so'n bisschen Rap, und jetzt dieser *komplette Abfuck*.
„Ich weiß nicht“, meinte sie. „Vielleicht bin ich's, vielleicht auch nicht.“
„Wie, du weißt es nicht?!“ Tom hat *null* gecheckt. Wirklich *gar nichts*.
Sandra hat nur die Schultern gezuckt: „Sieht halt so aus.“
„Und nach was sah das vorhin mit uns beiden aus?!“
„Dann bin ich halt bi“, sagte sie.
„Aber zuallererst mal lesbisch, oder wie?“
Sandra hat das Mikro vom Ständer gerissen. „Genau Tom, zuallererst lesbisch.“

Tom hat *derbe* auf's Schlagzeug eingedroschen. Sandra hat ihr Mikro so *sorgfältig* ins Etui gepackt. „Ich find's *mega* cool!“, meinte sie laut. Mit einem Schlag war das Geballer vorbei: „Und ich find's *mega* mies.“ Tom war *fertig*, total *down* und *stinksauer* auf diesen ganzen Scheiß. Warum dieser ganze *Abfuck*, wenn das Leben doch so easy und geil sein konnte, wie in den letzten drei Wochen?

„Es ist übrigens Tini“, meinte Sandra. Hat die Mikrobox in ihre Tasche gestopft und den Reißverschluss zugezogen.
„Tini?“, Tom hat sich auf die Lippen gebissen, bis Blut kam, bitter, salzig – als hätte er so'n Tränen-Infusions-Ding gekriegt, schon mal so zum Vorheulen. „Tini?“, hat er gesagt. Ach, das war also seine Mission: Frauen beim Coming-Out helfen. Hat er also damals auch Tini den Bock auf Boys ausgetrieben?

„Ich bin dann mal weg“, sagte Sandra. Hat ihre Baseballmütze aufgesetzt, Pferdeschwanz durchgezogen und ist zur Tür.
„Klar“, sagte er.
Sie hat gezögert.
„Tom?“
„Was?“
„Und die Band?“
Tom hat *geächzt*. „Die Band?“ Hat nach den Sticks gegriffen. „Ja klar, die Band.“
Als Sandra die Haustür hinter sich zugemacht hat, ging ein Schlagzeugsolo ab, das *echt* in die Geschichte einging. Zumindest bei den Nachbarn. Da war für Stunden Funkstille, und für Tom? Für Tage und Wochen war er am Arsch.

Aber *ey*, was ist schon Zeit? Ne Stunde wird *zack* zur Ewigkeit, und Wochen? Verpuffen einfach mal so. Tom hat sich auf seine Bude verkrümelt, Fensterläden dichtgemacht, Tür verriegelt. Er brauchte nur Dunkelheit.

Nach drei Wochen Sex mit ihm hat Sandra *echt* festgestellt, dass sie lesbisch war. *Einfach cool*.
Aber wie *checkt* man, dass man lesbisch ist? Weil's keinen Spaß mehr gemacht hat? Weil der Orgasmus *einfach* nicht kam?
Egal. Die Frage war doch: Brauchte er Sandra? Brauchte er *überhaupt* Frauen? Wär's nicht *viel geiler*, schwul zu sein?
Aber *neee*, er konnte sich *echt* nicht vorstellen, mit Freddy ins Bett zu gehen. *Undenkbar*.
Es war so deprimierend. So *übelst* ungerecht. Er hatte *null Bock* mehr. Nicht auf Frauen, nicht auf die Realität. Tom hat die Maus geschnappt und *ab* ins Netz.

YouTube: Lieblingsclips rauf und runter. Er hat gesurft, getwittert, gesurft und ist dann auf so 'nen Blog gestoßen: „Casvaine“. Der Autor – so'n Leidensgenosse, genau wie er, ein frisch mumifizierter Gefühlstoter. Hatte alles über Schmerz und Wahnsinn gesammelt, Links in alle Ecken der Pein gesetzt und saß da wie 'ne Spinne im Netz seiner *totalen* Verzweiflung.

War Wahnsinn vielleicht 'ne Alternative? Und wie wird man *möglichst* easy wahnsinnig? Tom wollte so 'nen bizarren Wahn. So bizarr wie die Liebe.
Casvaine. Das klang in Toms Ohren wie so'n krasses „Bringt eh nix“-Bekenntnis.
Casvaine. Das klang in seinen Ohren wie der Name von 'ner *lost* Liebe.
Casvaine. Das klang in seinen Ohren wie der Titel von 'nem Song:

http://casvaine.art/webdata/audio/casvaineCompSam.mp3

Casvaine, Casvaine
nothing to gain
Casvaine, Casvaine
no one to blame
Casvaine, Casvaine
she is insane
Casvaine to blame
insane in vain
to gain Casvaine
to blame in vain
insane Casvaine
Casvaine insane
Casvaine

Casvaine, so hat er in dieser Nacht beschlossen, sollte auch deren Band heißen. Entweder die anderen akzeptieren das, oder er ist raus. Als Abschiedsgeschenk? Würde er ihnen den Song rüberdrücken.

Casvaine, so hat er in dieser Nacht beschlossen, sollte auch deren Band heißen. Entweder die anderen akzeptieren das, oder er steigt aus. Als Abschiedsgeschenk hat er ihnen den Song „Blond for Blond (B4B) ist Geschichte“ dagelassen. Und damit das *ganz klar* war: Er hat sich die blonden Haare ins schwärzeste Schwarz gefärbt, was ging. Und der Rap (B4B ist Geschichte) geht so:

Yo, checkt mal!
Habt ihr gehört, B4B ist Geschichte
hört mir zu, was ich euch hier berichte
B4B, das waren Sandra und Tom
ja, sie war’n mal ziemlich unter Strom

Uh, blond for blond is broken
the final word has been spoken
Ah, blond for blond is gone
since fabulous Tini came along

habt ihr notiert, nun ist Tini der Star
schon klar, Sandra ist halt wandelbar
B4B, das war nur ein kurzer hype
Tom ist nicht länger Sandras type

habt ihr vernommen
Tom ist auf den Hund gekommen
Sandra ist 'ne Runde weiter
und Tini steigt auf der Karriereleiter

Uh, blond for blond is broken
the final word has been spoken
Ah, blond for blond is gone
since fabulous Tini came along

und das Ende der Geschichte
Tom schreibt Cyberpunk-Gedichte
Sandra greift zum Mikrophon
und Tini singt nun monoton:

goodby old Tom,
you see, I have come
good luck old Tom,
many greetings to your mom.

Während Tom im *totalen* Schmerz-Universum abhing, hat Sandra ihre Power und ihren neuen Lover *voll* genossen: Tini. Schwarze Haare, krasse, schwarze Augen und so 'ne japanische Oma. Erotisch und *mega* egozentrisch. Das Selbstbewusstsein von den beiden ist *stündlich* gestiegen. Hand in Hand, genau wie Sandra früher mit Tom, sind die durch die City geschlendert, shoppen gegangen, saßen knutschend im Café. *Voll das neue It-Couple*.

„Knutschend im Café?!“ Sigi hat seinen *Macho-Augen* nicht getraut. Ist *voll verdutzt* stehen geblieben und hat hingestarrt, bis ihm schwarz vor Augen wurde. Hat sich dann *schlau gemacht* – über Lesben und Schwule. Als er Sandra das nächste Mal getroffen hat, hat er so *voll beiläufig* gefragt: „Butch oder Femme?“
„Switcher“, hat sie mit der *derbsten* Herablassung geantwortet. Dann meinte sie noch: „Lass mich einfach nur queer sein, von dir verlangt das ja keiner. *Chill!*“
Sigi ist *ziemlich schnell* aus deren Vibe raus gewesen, so um Tom, Sandra und die anderen.


**'N Base für die Band: Das Ultra-Refugium**

Bäm, Szenenwechsel! Direkt rein in 'ne ganz weirdo-Welt. Da waren Clouds aus Zuckerwatte, die schwebten in 'nem Himmel aus hellblauem Sirup. Und sie steckten fest – so richtig im Arsch – in so nem Acker aus Vollmilchschokolade mit Krokant-Crunch. Links hinten war dieser Ultra-Wald aus grünen Gummibärchen. Oder waren's Nougatstangen mit Waldmeister-Pudding? Checkt keiner.

„Das da oben ist es, safe!“, meinte Tom jedenfalls. Aber Freddy guckte nur so in die Luft und kündigte der Zuckerwatte-Cloud den nächsten Akkord an: H7. Der sah aus, als wäre er gerade ausm Trockner gezogen: Haare voll crazy, Augen glasig, Lippen total traumfeucht. So'n Vibe.

Das Problem war halt: Irgendwer hatte die Welt auf Slow-Mo geschaltet. Ihre Moves versackten, jeder Schritt kostete 'ne Todeszeit, so Jahre. Am besten war echt, man ließ sich einfach treiben. Alles wurde voll gedehnt, zerfloss und verdampfte. Daran konnte man einfach nix ändern, Digga.

Dann die Attacke, das Laserschwert kam ausm Nichts, zack! Es hat die Zuckerwatte durchstochen, voll wild in den Acker gehauen und dann so glühend auf die eingestochen.
„Das ist die Sonne, Alter!“, versicherte Tom, hob mega langsam die Hand vor die Augen und lugte kurz ins glühende Herz der Honigscheibe.
Freddy sonderte den nächsten Akkord ab: A7.
Damit war erst mal alles gesagt. Freddy summte, Tom suchte nach Metaphern (voll der Nerd manchmal) und so verzerrten sich ein paar Stunden zwischen ihren Schritten. Irgendwann kamen sie an was an, das Tom so voll als „Schatten der Rettung“ bezeichnete. Freddy checkte es nur genervt als Baum – die Realität mischte sich schon wieder in seine Wahrnehmung. Als er 'ne Stunde später im Gras unterm Baum aufwachte, sagte er: „E.“
Tom lag aufm Rücken: „Dur oder Moll?“
„Dur.“
Tom drehte sich auf die Seite, guckte den Hang runter, rüber zum Wald, nach oben in den Todes-blauen Himmel und über die Schulter hoch zum Gehöft. „H7, A7, E“, überlegte er. Und als Titel: „Rap the Chill.“
Freddy folgte seinem Blick. „Das ist es?“
„Ja.“
„Stammt wohl noch ausm Dreißigjährigen Krieg?“
„Das ist die Back-Side, Alter“, erwiderte Tom, als ob das den üblen Zustand der Bruchbude erklären würde.
„Warum sind wir eigentlich nicht bis zum Gehöft hochgeballert?“
„Du kannst blöd fragen.“
„Wieso blöd fragen?“
„Nach dem Joint wären wir keinen Meter weit gekommen.“
„War das meine Idee mit dem Joint?“
„Nee“, erwiderte Tom. „Aber dein Stoff.“
„Ist das jetzt 'n Crime, guten Stoff zu haben?“
„Nee“, sagte Tom so gedeehnt. „Aber etwas weniger ist manchmal mehr.“
„Ach ja, ein guter Joint halt“, sagte Freddy und legte nach: „Asus4.“ Aber das passte null. „Vielleicht G7? Und dann C, gefolgt von H7 und E.“
„Komm’ Alter, chill mit mir“, intonierte Tom.
„Perfekt!“, sagte Freddy und stand auf. Der nächste Song war praktisch am Start. Jetzt brauchten sie nur noch den Sommer zum Proben, und ihrem Auftritt im Styx stand nix mehr im Weg. Freddy sah schon das Plakat: „Freddy 'n Band live im Styx.“ Absolut mega. Und alle würden toben, die Hölle.

Okay, die Gruppe hieß nicht „Freddy 'n Band“. Die hatte überhaupt noch keinen Namen. Obwohl sie schon ein Jahr zusammen probten. Aber gute Namen lagen halt nicht auf der Straße rum. Und alle waren die endlosen Diskussionen leid. Niemand hatte Bock, sich länger mit so Vorschlägen wie „Kernseife“, „Strychnin“ oder „Affengeil“ abzugeben. Auch Toms düstere Labels wie „The NoNames“ oder „Fehlanzeige“ waren nicht mehrheitsfähig, voll der Fail. Freddies „The Mnemotonics“ klang wie 'n Drink und auch „Chocolate Freaks and Nuggets“ hätte besser zu ner McDonald’s-Werbekampagne gepasst, als dass das als Gruppenname durchgehen sollte.
Außerdem mussten die vorher noch 'n bisschen üben. Genaugenommen mussten die ganz viel üben.
Gut, dass der Schul-Stress vorbei war. Gut, dass sie etwas Kohle in den Taschen hatten und gut, dass es Großtante Hermine gegeben hatte. Gut auch, dass sich Sandra, die Powerfrau, zu ihrer Leadsängerin berufen fühlte.
„Hey Jungs!“, rief sie eines Nachmittags, „Lasst es uns einfach tun!“
„Wie tun?“, staunte Freddy, „Drei Männer und 'ne Frau?“
„Lasst uns!“, rief sie unbeirrt, „unser Ding durchziehen!“
„Gern!“, sagte Freddy, „Ich dreh' gleich eins.“
„Lasst uns berühmt werden!“, rief sie. „Und zwar furchtbar schnell!“
Nichts lieber als das. Aber die Frage war doch, wie?
„Wir müssen proben bis zum Abwinken!“, sagte sie. „Proben, Proben, Proben!“
„Proben?“, warf Freddy ein. „Was tun wir denn die letzten Wochen in diesem lausigen Kellerloch anders?“
„Ich meine *richtig* proben!“, sagte Sandra. „Nicht alle zwei Wochen mal 'n bisschen rumklimpern.“
„Tja“, meinte Samuel. „Dann kann man aber nicht in der Stadt bleiben.“
„Nicht in der Stadt?!“ Freddy traute seinen Ohren nicht. Welche Alternativen gab es denn zur Stadt? Ne andere Galaxie? Ein Paralleluniversum?
„Sam hat recht“, sagte Sandra. „Wir müssen in Quarantäne. Keine Ablenkung außer den Proben, kein Stoff außer selbst produziertem Sound.“
Gmaj7, Am, H7. Freddy ließ seine Les Pauls sprechen. Es klang schrecklich. Genauso schrecklich wie Sams Vorschlag. Es gab für Freddy nix Unangesagteres als das Exil, die Verbannung aus der City, den Rausschmiss aus der Szene, den Verlust seiner Clubs. „Was habt ihr vor?!“, stöhnte er.
„Wir könnten uns ans Meer verziehen“, meinte Sam.
„Genau!“, rief Freddy: „Sonne, Sand, Spießer! Und mittendrin die Band! Wie lange sollen wir das aushalten? Etwa den ganzen Sommer? Wo willst du die Kohle herkriegen? Wo willst du wohnen?“
„Wir campen“, meinte Sam.
Freddy heulte auf. „Nicht mit mir! Nicht mit Euch! Zudem müsse man das Equipment unterbringen! Und wenn wir aufm Zeltplatz stundenlang den gleichen Song bringen, werden wir uns nicht nur Freunde machen!“
„Zu was brauchen wir Freunde, wir haben ja uns.“ Natürlich war das kein Argument, das wusste auch Samuel.
Die vier saßen im Keller von Toms Elternhaus. Die Verstärker surrten noch, waren praktisch noch heiser vom Proben. Tom saß hinterm Schlagzeug und tätschelte gelegentlich ein Becken. Samuel ließ seinen Bass von Zeit zu Zeit aufbrummen. Und immer dann, wenn Freddy die Worte ausgingen, sprach seine Les Pauls für ihn. Sandra hielt ihr hypersensibles Mikro in der Hand und sagte: „Darf ich euch daran erinnern, dass wir hier raus müssen!“
Niemand stellte diese niederschmetternde Tatsache in Frage. Toms Eltern hatten genug vom tagtäglichen Krach. Die Geduld der Nachbarn war schon seit Langem am Arsch.
„Warum nicht irgendwo in der Stadt 'nen Raum mieten?“, versuchte es Freddy.
Sandras blonder Pferdeschwanz wechselte abrupt die Seite. „Das geht vielleicht 'ne Woche gut und dann kommen die ersten Ausfälle. Plötzlich hat Tom keine Zeit mehr, weil er seinen Cyberpunk fertigbringen muss. Oder unser guter Samuel verliebt sich mal wieder in 'ne zehn Jahre ältere Göttin und ist tagelang verschwunden. Und bei dir, lieber Freddy, brauche ich wohl gar nicht erst anfangen aufzuzählen. Wie war das: Sex and Drugs and Rock'n Roll?“
Niemand protestierte, alle fühlten sich bestens getroffen. Aber war das ein Wunder? Sandra wollte schließlich Psychologie studieren.
„Also was tun?“
Sandra fasste zusammen. „Wir brauchen 'nen Ort, wo wir ein halbes Jahr leben können, unter uns sind, Krach machen dürfen und wo es weit und breit keine Ablenkung gibt.“
Samuel war sich sicher: „Das gibt es nicht.“
Freddy meinte: „Zum Glück.“
Und Tom sagte: „Du meinst das Gehöft meiner Großtante Hermine.“

Da standen Tom und Freddy an diesem sonnigen Nachmittag, und zwar auf der Back-Side. Sie hatten sich durchs ultra-hohe Gras gekämpft, waren durchs Gebüsch gebrochen und über so 'nen Mini-Zaun geklettert. Die Rückfront vom Gehöft war mehr oder weniger eingestürzt, man konnte voll rein in die früheren Ställe gucken. Zusammengekrachte Trennwände, Unkraut, Büsche und ein Baum, der sich in die Eingeweide der Ruine reinfraß. Es stank erbärmlich, Alter.
„Wenn der Rest nicht besser ist“, kläffte Freddy, „dann können wir die Sache vergessen!“
„Komm schon!“, drängte Tom, der schon um die Ecke gebogen war und die Ostfront abschritt. „Hier!“, sagte er und klopfte gegen die Außenmauer, „sind die ehemaligen Geräteschuppen: Traktoren, Anhänger, Mähdrescher.“
Freddy humpelte um die Ecke. „Verdammt!“, sagte er. „Ich hab mir das Bein verstaucht.“ Er blieb stehen und schaute Tom hinterher, der so fünfzehn Meter voraus war und fast das Ende der Mauerfront erreicht hatte. Dann war er um die Ecke. Freddy humpelte hinterher. Als auch er um die Ecke bog, sah er den Zufahrtsweg, so 'nen staubigen Feldweg, der in 'ner Schleife hinterm nächsten Hügel verschwand. Die Vorderfront war gut erhalten, nur das Eingangstor hing so mega-rostig und nicht grad vertrauenserweckend an Angeln. Immerhin, Toms alter VW-Bus würde durchpassen. „Ist ja klar!“, meinte dieser. „Die Traktoren mit dem ganzen Heu mussten ja auch durch!“
Beim Anblick des Hofes kam von Freddy nur: „E7, A7, D7, G.“
Stimmt, es war schräg. Schräg genug, um auch Freddy zu gefallen. So'n bizarrer alter Baum mitten aufm Hof, 'n Brunnen, der wahrscheinlich noch ausm Mittelalter stammte, an dem die Grufties in der Band sicher ihre helle – Pardon – dunkle Freude haben würden. Dann so 'ne breitgetretene Freitreppe mit beidseitigem Treppenaufgang und doppelseitiger, angekohlter Holztür. Verdorrtes Gras und weirdes Buschwerk überwucherte den Hof.
„Grell!“, sagte Freddy. „Irgendwie abgefahren.“ Er drehte sich in alle Richtungen. „Aber eins ist sicher!“, sagte er dann und schnalzte mit der Zunge: „Das wird ein echt geiler Gig hier!“

**Task Force „GTH2“ am Start**

Zurück in die Zivilisation. Das erste Task Force Treffen „GTH2“ fand im Keller von Toms Eltern statt, ihrem Noch-Übungsraum. GTH2 stand für GroßTante Hermines Hof und war Sandras Idee. Damit hatte sie sich gegen den Vorschlag von Tom durchgesetzt, der „The Band Grange“ favorisierte. Tom lenkte jedoch ein, jeder Streit zwischen denen würde schnell in tödliche Dimensionen abdriften, voll das Drama.
Freddy berichtete: „Das nächste Kaff ist fünf Kilometer entfernt, es gibt kein Wasser und, wenn ich das sagen darf, auch keinen Strom.“ Dabei blickte er zu Tom. „Aber sonst“, fügte er hinzu, „ist es megageil!“
Tom zuckte mit den Achseln. „Ich hab nie behauptet, es sei 'n Neubau.“
„Aber etwas Strom muss schon sein!“, meinte Sam. Niemand konnte sich den länger ohne seinen iPod vorstellen. Der hing stundenlang an dem Ding wie am Tropf, voll am Limit.
„Drinnen ist es in etwa so gemütlich wie hier.“ Freddy zeigte vage in den Raum: „Schäbige Wände, Regale mit Plunder und ein vergittertes Fenster oben in der Wand.“
„Das lässt sich ja sicher etwas renovieren“, meinte Sandra. „Nur auf Strom und Wasser können wir kaum verzichten.“
„Es gibt einen Brunnen“, meinte Tom.
„Das ist nicht dein Ernst?!“ Freddy schüttelte sich. „Ich brauche chloriertes Wasser, sonst krieg ich Haarausfall und Karies!“
„Klar, Freddy, das wäre tragisch.“ Tom grinste.
„Was ist mit einem Stromgenerator?“, Samuel drehte am iPod herum.
„Klasse!“, rief Sandra. „Der Motorenlärm ist sicher sehr inspirierend. Aber wir sind halt leider keine Heavy Metal Band. Wollten wir nicht üben, meditieren und gute Songs schreiben?“
„Von meditieren war nicht die Rede“, murmelte Freddy und schlug ein Gmaj7 an.
„Das Gehöft gehörte meiner Großtante Hermine“, begann Tom.
„...schon bekannt.“
„...wissen wir.“
„...und weiter?“
Der Backgroundchor gelangweilter Stimmen erstarb.
„GT Hermine hat bis zuletzt auf ihrem Hof gelebt“, sagte Tom. „Es muss also auch Stromleitungen geben. Die Frage ist doch nur, ob man das Elektrizitätswerk dazu bewegen kann, den Safthahn wieder aufzudrehen.“
„Notfalls zapfen wir 'ne Überlandleitung an!“, fand Freddy.
„Klar, Freddy!“, sagte Sam. „Vielleicht gibt es ja auch ein Atomkraftwerk in der Nähe. Dann holen wir uns den Strom eimerweise dort ab.“
„Wie weiter?!“, beendete Sandra das Geplänkel.
„Ich werde Theo fragen“, sagte Tom.
„Theo?“, sagte Freddy. „Ist das der Verwalter eurer weitläufigen Besitzungen?“
„Mein Großonkel. Der Erbe von GT Hermine.“
Freddy stellte sich einen dickbäuchigen Bauern vor, der in Gummistiefeln und mit 'ner Milchkanne bewaffnet hinter Kühen herjagte.
„Nicht ganz“, meinte Tom. „Aber ein Freak ist er schon.“
„Was ist mit Verpflegung?“, meinte Sam.
„Verpflegung bekommen wir im Dorf“, sagte Tom.
„Oder wir packen den VW-Bus mit Dosen voll: Ravioli, Fischkonserven, Fertiggerichte, H-Milch, Mineralwasser, ein paar Kisten Bier. Und wenn das alle ist, dann fahren wir in die nächste Stadt, kaufen kräftig ein, machen 'nen klitzekleinen Abstecher in ein paar nette Kneipen und kehren wieder in unser Landschulheim zurück, wo wir uns für weitere zwei Wochen eingraben.“ Freddies Augen glänzten. Am liebsten wäre er gleich losgezogen, um einzukaufen und in der nächsten Szenenkneipe abzuhängen.
„Oder wir legen ein Gärtchen an: Bohnen und Möhren.“ Freddy musste den Joint, den er gerade drehte, weglegen, – ein Lachkrampf. Doch dann ging ihm die Genialität seines eigenen Vorschlags so richtig auf und er sagte: „Genau. Nur dass wir kein Gemüse, sondern Gras anbauen!“
„Sonst noch was?!“, knurrte Sandra. „Wir haben keine Zeit für so'n Quatsch!“
„Ja, ja“, meinte Freddy. „War ja nur so 'ne Idee.“ Er beendete den Tütenbau, ließ es knistern und schaute auf: „Aber Selbstversorgung ist gut.“
„Genau“, meinte Tom. „Dazu brauchen wir aber 'ne funktionstüchtige Küche. Und falls wir dort nicht auch schlafen wollen, müssen wir renovieren. Und das bedeutet Arbeit.“
„Arbeit?“, sagte Freddy. „Nie gehört.“
„Dreck rausschaufeln, Fenster abdichten, Türen ausbessern.“ Tom versetzte der Basstrommel einige Tritte.
„Und zur Aufrechterhaltung der Kreativität sollte jeder seine Rückzugsmöglichkeit bekommen“, philosophierte Samuel.
„Wir setzen dir den iPod ins Hirn, dann ist schon einer weniger.“
„Sehr witzig!“, fand Samuel und nahm den Joint entgegen.
Tom sagte: „Wenn das Wetter mitspielt, können wir alles draußen tun: essen, proben, schlafen.“
Freddy stöhnte: „Und wie lange soll dieses Pfadfinderidyll dauern?“
„Bis unser Programm steht“, meinte Sandra. „Bis wir die fehlenden Songs geschrieben haben. Bis wir perfekt sind.“
„Ach so“, sagte Freddy. „Du willst nur ein paar Tage bleiben.“
„Das wird eher Jahre dauern“, meinte Sam.
„Ein Sommer reicht!“, beharrte Sandra.
„Ein ganzer Sommer!“, echote Freddy. „Und nur wir vier! Das halt ich nicht aus!“
„Chicks for free gibt's hinterher!“, lästerte Sam.
„Nein, nein, nein!“, rief Freddy. „Jeder von uns ist als Individuum ja genial. Aber als WG sind wir effektiv ein Fiasko!“
„Du meinst als Landkommune“, korrigierte Samuel.
„Genau! – Ein Trupp von Neohippies, ausgerüstet mit allem technischen Schnickschnack der Neuzeit: iPhone, iPod, iMac, Spielkonsolen und 'nen Highway ins WWW. Internet-Junkies und Youtuber unter sich. Und mit einem nicht unerheblichen Musikequipment.“
Das allerdings fand Samuel mittlerweile mega out.
Doch die Frage nach dem Equipment hatte noch andere Dimensionen.
Brauchten sie eigentlich auch 'nen Kühlschrank, 'ne Waschmaschine und 'nen Geschirrspüler? Hatten sie 'nen Herd und wenn ja, wer konnte kochen? Gab es Betten, hatten sie Roste und Matratzen? Mussten sie Wochen im Schlafsack im Freien campieren? Konnte man duschen, gab es Toiletten?
Das Ganze entwickelte sich zum logistischen Alptraum, voll der Stress.
Unmöglich, das alleine zu bewältigen.
Nach heftigen Diskussionen und einigen wirklich weitverzweigten Assoziationen kamen sie zu der Erkenntnis: Eine Crew musste her.

**Die Crew: Derbe am Start**

Eine Crew musste also her. Nun ja. Warum nicht? Es war ja auch nicht weiter schwierig, Leute zu finden, die zu ihnen passten, Zeit, Bock und Kohle hatten und auch noch arbeiten wollten.
„Bizarre Illusion“, meinte Sam.
„Warum denn nicht?“, sagte Freddy sarkastisch. „Wer will nicht mal für einige Monate raus aus der Stadt und rein in die Stille? Keine Kneipen, kein lästiges Kino, keine Feten, keine Einladungen zu langweiligen Parties, nichts, was ablenkt? Nur die würzige Luft und das Grün der Landschaft.“
„Danke, Freddy“, sagte Sandra. „Aber im Ernst: wir müssen ihnen die Sache halt ein bisschen schmackhaft machen. Feten können wir da draußen auch aufziehen. Ich weiß gar nicht, Freddy, was du gegen würzige Luft hast. Das Zeug, das du rauchst, riecht auch nicht viel anders.“
„Wirkt aber besser“, behauptete Freddy.
„Irgendwelche Vorschläge?“, fragte Sandra.
„Paul Plot“, sagte Freddy.
Sandra kräuselte die Stirn: „Dein Kiffkumpel.“
„Ja, mein Kiffkumpel. Paul ist immer zu allem bereit, außer vielleicht zur Arbeit. Außerdem ist er Kellner und weitgehend anspruchslos.“ Es klang wie ein Beitrag zum Thema Tierhaltung.
„Warum nicht?“, sagte Sam.
Freddy strahlte: „Er sei leicht zu ködern: Freie Verpflegung. Gelegentlich ein Joint. That's it.“
Sandra setzte Tini auf die Liste und verpasste Tom damit 'nen Schlag in die Magengrube. Doch Tom krümmte sich lautlos und alle anderen hielten sich raus. „Also Tini.“
„Was ist mit Igor?“, meinte Freddy.
„Nein!“, schrien alle auf. „Nicht dieser Dauerquatscher!“ Freddy zog seinen Vorschlag zurück. „Dann machen wir halt 'ne Casting-Show“, schlug er vor.
Das klang gut. Unklar war nur, welches Profil die Leute haben sollten?
„Die Kriterien sind einfach“, sagte Sam.
„Welche Bands magst du?“
„Welche Brands hasst du?“
„Kannst du einen Nagel einschlagen?“
„Mein Gott, sind wir elitär!“, rief Sam in gespielter Verzweiflung.
„Ja“, meinte Freddy, „zum Glück.“
„Wir brauchen Universalgenies“, sagte Tom.
„Dux!“, kam es gleich zweimal. „Der kann quasi alles: bohren, hämmern, sägen, Auto reparieren. Rechner installieren und notfalls auch Haare schneiden.“
Das stimmte. Daddy Dux, wie er wegen seiner Rappergesten genannt wurde, war ein Technikfreak. Vom Auto bis zur Videokamera beherrschte er alles. Außerdem war sein Alter Bauunternehmer. Geräte, Lastwagen und Material – das ganze Equipment einer erfolgreichen Einrichtungsshow war damit verfügbar.
„Und ihr glaubt“, meinte Freddy, „dass Daddy Dux seine nächtlichen Streifzüge durch die Rapperclubs einfach aufgibt und sich freiwillig dem ländlichen Vögelgezwitscher aussetzt?“
„Kommt schon“, sagte Tom. „Wir widmen Daddy ganz einfach einen Rap.“
„Ok“, sagte Sam, „das könnte funktionieren.“
„Was ist mit Frauen?“, fragte Freddy.
„Was soll damit sein?“, zischte Sandra.
„Ich mein' ja nur“, antwortete Freddy. „Damit Daddy sich wohl fühlt.“
„Spinnst du jetzt?!“, knurrte sie.
„Geld?“, versuchte es Tom.
„Quatsch“, sagte Freddy. „Kohle hat der genug.“
Daddy Dux wurde ihnen immer wichtiger, je unerreichbarer er schien.
Der nächste Vorschlag kam von Sam: „Wie wär's mit Undine?“
„Undine?“, unkte Sandra. „Diese Zicke?“
„Sie ist nicht zickiger als du“, konterte Sam.
„Was soll das?“, meinte Tom. „So kommen wir nicht weiter.“
Womit er völlig recht hatte. Sandra verstummte, Sam hielt sich zurück und Undine wurde Crewmitglied. Freilich ohne es auch nur zu ahnen.
Auf ihrer Crewliste standen nun: Tini, Paul, Undine und Daddy Dux.
„Wer übernimmt denn nun Daddy?“
Niemand fühlte sich berufen. Die weiteren Diskussionen verliefen in Unschlüssigkeit und kleinen Streitereien.
Danach herrschte Funkstille. Sie ging einen Tag. Sie ging zwei Tage. Sie ging drei Tage. Dann schickte Tom 'ne Nachricht an alle. Titel: „Wanted – Daddy Dux. Wir brauchen ihn, am besten lebend.“
Samuel las es, sah plötzlich einen Western ablaufen, ein Duell in der Mittagshitze, Staub und Totenstille und plötzlich ein Schuss und jemand rief: „Klappe, die fünfte!“
Uff, genau das war es!
Sam ging sofort auf Reply und schrieb: „Ich weiß, wie wir sie alle kriegen. Alle. Jeden. Garantiert.“
Ein Sturm setzte ein, die Handys liefen heiß, der E-Mail-Verkehr stand vor dem Kollaps und praktisch das ganze Internet schrie: „Samuel melde dich sofort!“
Doch Sam hatte alles Mobile abgeschaltet, ließ sich nicht anskypen, anzoomen, anpushen, er reagierte nicht auf Messages, nicht auf E-Mails und spielte Mr. Offline.
„Er ist mit seinem iPod in den Untergrund gegangen“, vermutete Freddy.
„Ein finaler Sturz mit dem Skateboard“, sagte Tini.
„Ach was“, meinte Tom. „Er sonnt sich einfach mal wieder in seiner Genialität.“
„Ja!“, stöhnten die anderen. „Der alte Streber.“

Und dann kam ganz traditionell per E-Mail folgendes Bulletin:

„Leute, wir machen die Crew zum Filmteam. Checkt ihr? Wir drehen einen Streifen. Dux ist Regisseur, Undine spielt Cutterin, Paul (der Armleuchter) wird Beleuchter. Wir produzieren einen Videoclip: von der Band, dem Hof, den Proben und der Crew. Wir streamen es, wir stellen es auf YouTube, posten es auf welcher Plattform die Welt sich auch immer gerade ihren Kick holt. Das wird mega, das wird geil. Niemand, das garantiere ich Euch, lässt sich diesen Hype entgehen!“

**Headhunting: Die Jagd ist eröffnet**

Nun kam Bewegung in die Sache: Die Jagd begann. Die Headhunter gingen in Position, Kopfprämien wurden ausgesetzt, Erfolgsaussichten diskutiert.
„Der härteste Brocken ist Daddy Dux.“ Tom sah Sam an.
„Klar“, sagte dieser. „Daddy bringt locker 80 Kilo auf die Waage.“
„Das war nicht immer so“, meinte Tom. „Habt ihr nicht 'ne gemeinsame Vergangenheit in der Halfpipe?“
„Ja“, sagte Sam, „schon. Ist aber wirklich lange her, dass ich mit Daddy durchs Vert gepusht bin.“
„Versuch' ihn auf's Flat zu bringen“, meinte Tom.
Sam lachte: „OK, überredet.“
Doch Dux war auf andere Fortbewegungsmittel umgestiegen.
„Keine Zeit!“, quengelte er ins Handy.
„Was? Du willst mit mir quatschen? Wozu denn?“
„Muss das denn sein?“
„Mann, ich muss mich meiner neuen Karre widmen.“
„Morgen? Also gut, Mann. Wenn's sein muss.“

Freddy hatte sich Paul Plot vorgenommen. Eine an und für sich leichte Aufgabe. Doch Paul Plot hatte sich in Luft aufgelöst.
„Weiß nicht, wo er ist“, sagte Klaus. „Falls du ihn siehst: Er braucht sich hier nicht mehr blicken zu lassen. Soll woanders Bier zapfen.“
Freddy nickte und versuchte es im Styx.
„Mal wieder ein Alkoholexzess“, vermutete Sigi und trank sein Bier in einem Zug aus. „Ruf ihn doch an.“
„Ja prima“, meinte Freddy. „Was glaubst du, was ich seit Tagen versuche?“
„Hast du es schon in seinem Kellerloch versucht?“
„In welchem Kellerloch?“
„Im Greterareal. Zwischen den Müllcontainern und Industrieabfällen.“
„Klingt gut.“ Freddy schüttelte sich.
„Klingt nach Paul Plot“, sagte Sigi und bestellte 'ne neue Runde.
Sigi war und blieb ein Arschloch. Doch sein Tipp war gut. Ein verkaterter Paul Plot öffnete die Tür, grinste, als er Freddy erkannte und sagte: „Was ist denn heute für ein Tag?“
Drinnen ein dunkles Loch, mit Blick auf 'ne alte Fabrik und einem Mobiliar, das aus sämtlichen Sperrmüllsammlungen der letzten Jahrzehnte zusammengestückelt zu sein schien.
„Gruß von Klaus. Du sollst dich verpissen.“
„Danke“, sagte Paul und kam mit 'nem Bier aus der zugemüllten Küche zurück. Freddy war gewiss nicht zimperlich, aber in diesem Desaster aus Dreck und Gestank fühlte selbst er sich nicht wohl.
„Was ist denn los?“, fragte er.
„Was soll los sein?“, meinte Paul und köpfte das Bier.
„Du gehst nicht ans Handy, du schmeißt deinen Job, du haust hier in 'ner Müllkippe und fragst noch, was los sein soll?!“
Paul setzte sich. „So bin ich halt“, meinte er und setzte die Flasche an.
Freddy suchte vergeblich nach 'ner Sitzgelegenheit.
„Hast du was zu rauchen?“
Freddy nickte.
„Setz Dich“, meinte Paul und schob einen Stapel Klamotten beiseite.
Freddy ließ sich zaghaft nieder. „Nun denn“, sagte er. „Lass uns die Barrieren der Realität einreißen.“
„Wie?“
Statt einer Antwort hielt er Paul bedeutungsvoll 'ne Tüte hin. Der ließ ein anerkennendes Schmatzen ertönen, streckte die Hand aus und griff ins Leere.
Freddy hatte den Joint plötzlich zurückgezogen.
„Was ist?“
Doch Freddy schwieg verzückt. Er war von einem Gedankenblitz getroffen worden.
„Mann“, sagte er nur. „Das ist es!“
„Krieg' ich nun die Tüte?“, quengelte Paul.
Freddy triumphierte: „Du kriegst nicht nur eine Tüte, du kriegst viele Tüten!“
„Mir reicht für's Erste mal eine.“
Freddy lachte. „Paul“, sagte er, „was ist schon ein Joint angesichts der Unendlichkeit?“
„Unendlichkeit?“
„Paul“, sagte Freddy, „lass dir keine grauen Haare wachsen. Ich erklär' dir's.“ Und Freddy setzte ihm seinen Plan auseinander. Ein genialer Plan.
„Cool“, sagte Paul. „Megacool.“
Klar, dass er unter diesen Umständen umgehend Crewmitglied wurde.
Dann widmeten sie sich ganz der Tüte, versanken im Müll von Pauls Bude und lachten sich über ein altes Sandwich tot, das quasi mit schrägem Maul aus einem Unterhemd von Paul hervorgrinste und aussah wie Sandra.

„Sicher“, sagte Tom zu Sam. „Ich krieg' das mit Undine hin.“
„Klar kriegst du das hin.“
„Sag' ich doch.“
„Ich mein' ja nur.“
„Was willst du eigentlich von ihr?“
„Ich?“
„War doch dein Vorschlag, sie mitzunehmen.“
„Klar. Irgendwer muss ja auf die Quote achten.“
„Welche Quote?“
„Na die Frauenquote. Oder hältst du es mit Typen wie Daddy Dux und Paul Plot wochenlang aus?“
„Weiß nicht“, sagte Tom. „Aber warum ausgerechnet Undine?“
„Die ist kuscheluntauglich.“
„Wie?“
„Na die ist tough.“
„Und das findest du gut?“
„Irgendwie schon.“
„Was ist mit Gabi?“
„Du meinst doch nicht Freddies Schwester?“
„Doch, genau die.“
Sam grinste. „Hast du die beiden schon mal zusammen erlebt?“
„Nee, hab ich nicht.“
„Das wünsch ich dir auch nicht. 'Ne Dosis Strychnin ist Nervenbalsam dagegen.“
„Kein Wunder, dass sie sich nicht vertragen. Gelegentlich könnte ich Freddy schon auch ...“
„Klar, er nervt. Aber wenigstens bringt er Leben in die Band. Jede vernünftige Band, die wenigstens ein bisschen was auf sich hält, braucht doch ihren Keith Richards, Johnny Rotten, oder Pete Doherty.“
Tom grinste: „Sandra als Mick Jagger ist aber wohl eher 'ne Fehlbesetzung.“
„Wie auch immer“, sagte Sam. „Schaff' Undine bei.“
Doch dann war es Sam, der Undine traf, und zwar am Ort gemeinsamer Qualen. Hatten sie nicht alle geschworen, die Stromberg-Schule nie mehr zu betreten? Und nun waren sie gerade mal einige wenige Wochen mit dem Abi fertig und schon irrten sie wieder durch diese finsteren Gänge. Wie die Bad Guys and Bad Girls, die man zum Strafappell herbeizitiert hat. Nun ja. Es war kein wirklicher Rückfall, auch kein wirklicher Bruch ihrer Schwüre. Es handelte sich um schulische Nachwehen: Bescheinigungen für dies und das.
Aber irgendwie komisch: Sam und Undine. Eigentlich gab es dazu nichts zu sagen. Außer, dass sie in der gleichen Klasse gewesen waren. Außer, dass sie sechs Jahre die Lehrer geteilt und unter denselben schulischen Repressalien gelitten hatten. Außer, dass sie einander schlichtweg ignoriert hatten. Er fand sie tough, aber reichlich versnobt. Sie fand ihn läppisch und irgendwie kindisch. Allein schon das Skateboard. Dann diese blödsinnigen weiten Jeans mit den Gesäßtaschen bis zu den Kniekehlen. Und dann der Tick mit der Kapuze. Selbst im Hochsommer! Sicher, er spielte in Toms Band. Und ja, er war ein musikalisches Genie. Aber war er eigentlich nett? Musste man ihn beachten? Und nun stürzte er aus dem Lehrerzimmer und lief ihr direkt in die Arme.
„Sorry!“
„Keine Augen im Kopf?!“
Samuel, oder Sam wie er inoffiziell hieß – der Unnahbare, der Witzbold, der Typ mit dem ewigen Glitzern in den Augen. Restless legs, restless brain und restless auch der Rest. Aufgewachsen bei seiner Großmutter, einer Hippie-Pipi-Flower-Power-Tussi, 68-er-Veteranin, Bachblütengläubige, Dritte-Welt-Laden-Tante. Aber Sam liebte sie. Sie hatte ihm alles gegeben und ihn im Übrigen machen lassen, was er wollte. Alleinerziehend, dann plötzlich mit Udo. Nur das nahm Sam ihr übel. Zwar waren seine Zähne nun in einem tadellosen Zustand, aber die erzieherischen Hinterhältigkeiten von Udo saßen. Wenn Sam etwas ausgefressen hatte, stellte Udo ganz unverblümt in Aussicht, er müsse mal wieder seine Zähne kontrollieren. Klar, Udo war Zahnarzt.
„Hi Undine“, sagte er.
Undine lachte.
Das war ungeheuerlich.
Es war das erste Mal, dass sie Sam ihr Lachen schenkte.
Sam hörte all das Gelächter, Gegigger und Gequitsche der vergangenen Jahre. Den Quatsch in den Pausen, das Kichern auf den Klassenfahrten und die Nuscheleien zwischendurch. Nie hatte sie ihn auch nur beachtet. Und nun? Hinweg das ätherische Geschöpf der Klassen 9-13. Vor ihm stand eine bauchnabelfreie Göttin, eine in Cowboystiefel und Pants gegossene Madonna, ein Maneater der besonderen Sorte. Nur: sie schien ihn gar nicht fressen zu wollen. Denn sie lachte noch immer.
„Ja ja“, sagte sie lächelnd. „Einmal Streber, immer Streber.“
Oh Undine, lästernde Göre, gnadenlose Diva. Doch so war sie. Rothaarig, vornehm blass und angriffslustig. In ihrer Clique galt es als geil, es den Boys zu zeigen. Gelegentlich tat sie das immer noch. Insbesondere, wenn es eng wurde. Und die plötzliche Nähe zu Samuel machte es ziemlich eng.
Doch sie hatte eine Kleinigkeit übersehen. Sie befand sich ebenfalls im Schulgebäude.
„Ja ja“, erwiderte Sam. „Die Liebe zum Deutschlehrer währet ewiglich.“
Und so ging es weiter. Ohne es zu merken, gelangten sie nach draußen, schlenderten durch einige Nebenstraßen und fanden sich im Café Atlantis wieder.
Die richtige Frage wäre nun gewesen: Was machen wir eigentlich hier zusammen?
Doch niemand stellte sie. Sie sprachen über Musik, die Zukunft und das Projekt der Band.
„Nach zwei Wochen spätestens könnt ihr euch nicht mehr ausstehen“, prognostizierte Undine.
„Wir können uns jetzt schon nicht ausstehen“, erwiderte Sam.
„Witzbold. Was glaubst du wird Tom tun, wenn Sandra und Tini vor seinen Augen herumknutschen?“
„Keine Ahnung. Ich dachte emotionale Tiefschläge wären gut für die poetische Power. Schließlich ist er Songwriter.“
„Und Freddy. Entweder er kifft, oder er nervt oder beides.“
„Touché“, meinte Sam. „Aber du übertreibst.“
„Und was ist mit dir? Mit Skateboarden ist auch nichts auf der grünen Wiese.“
Undine hatte schon recht, auch wenn die Reduktion seiner Person aufs Skaten nicht wirklich gerecht war. Das Ganze hatte zahlreiche Hacken.
„Mit mir ist soweit alles in Ordnung. Vorausgesetzt du kommst mit.“
Was war das?
Hatte sie sich verhört?
Nein, das wohl kaum. Sam grinste sie frech an und hob die Augenbrauen.
„Klingt interessant“, sagte sie. „Aber was soll ich denn da?“
Und nun begann Sam seine Trümpfe auszuspielen. Erzählte vom Videoclip, ihrem geplanten Auftritt im Styx und dass sie noch jemand bräuchten, der das Drehbuch schrieb und der cuttete.
Undine sah ihn ungläubig an. „Du meinst mich?“
„Du hast doch diese durchgeknallte Geschichte geschrieben, über diese Schauspielerin in 'ner Galerie. Wie hieß das noch gleich?“
Sie lachte auf: „«Hannas Untergang»“
„Richtig. Da geht es doch um ein Filmset, um Kameraeinstellungen, Beleuchtung etc.“
„Ja, schon.“
„Na also.“
Undine war sich unschlüssig: „Ja, schon.“
„Dux macht die Aufnahmen, du die Texte.“
„Ich bin nicht unbedingt ein Fan von Daddy Dux“, sagte Undine. „Zuviel Rappergestik.“
„Ich sehe sonst niemanden“, meinte Sam, „der das benötigte Equipment hat und die nötige Zeit und Ausdauer.“
Ja, Daddy Dux war ein Terrier. Hatte er sich in eine Sache erstmal verbissen, ließ er so schnell nicht mehr davon ab. Vielleicht, dachte Undine, ist auch Sam von dieser Kategorie und er begann, sich in sie zu verbeißen.
„Aber aus uns beiden wird wohl eher nichts“, sagte sie nun und rührte Milch in ihren Kaffee.
Sam schluckte. „IST DAS EIN JA?!“
Sie legte den Löffel auf den Tisch. „Ja, das ist ein Ja.“
„Geil!“, fand er.
„Mal sehen“, sagte sie. „Die Idee mit dem Videoclip ist jedenfalls ganz nett.“
Eine halbe Stunde später waren sie schon fast im Kino. Sie sprachen über zeitlose Filme und aktuelle Streifen, über mega-coole Schauspielerinnen und geile Schauspieler und fähige Regisseure.

**Klar, Daddy. Wissen wir. (Mann, laber nicht so viel!)**

„Ihr wollt WAS?!“, murrte Daddy Dux. Er saß in seiner Karre, Tür weit offen, ein Bein nach draußen gestreckt. Sam sah sich im Spiegel von Daddys Sonnenbrille: ein winziges Figürchen, so 'ne Art Fliegendreck.
Sam legte die Hand auf die Autotür und beugte sich zu Dux hinab. „Wir verziehen uns aufs Land. Bringen die Band auf Vordermann. Genießen den Sommer.“
Dux wischte auf dem Touch Screen herum. „Welchen Sommer?“
„Ja“, meinte Sam. „Ist doch eh zu heiß in der City. Der ganze Qualm hier, dieser elende Krach. Das schafft einen bloß.“
„Also ich brauch das“, meinte Daddy und scrollte und wischte.
„Klar, Daddy. Wissen wir. Aber auf Krach brauchst du nicht verzichten. Wir werden heftig proben.“
Usher erklang: „You Make Me Wanna.“ „Hey Mann“, erklärte Dux. „Du weißt, dass ich auf euren Sound nicht besonders stehe.“
„Klar, Daddy. Wissen wir. Aber deswegen nehmen wir noch ein paar coole Mädels mit.“
Daddy zog die Sonnenbrille auf die Nasenspitze und musterte Sam. „Ich mag dich, Sam. Du bist'n Skater und weißt, wie man sich in der Halfpipe benimmt. Aber von Frauen hast du keine Ahnung.“
„Klar, Daddy. Weiß ich. Aber Frauen sind ja auch nicht alles, oder?“
Dux schob die Sonnenbrille hoch. „Was quatscht du denn da, Mann?“
Tatsächlich redete Sam Unsinn. Und es machte ihm Spaß. Er fand diese Rappertypen zu abgefahren. Ihre Vorliebe für große Schlitten, vollbusige halbnackte Girls und fundamentale Gesten. Außerdem konnte man Daddy Dux nichts direkt fragen. Es gab Rituale. Daddy musste Gelegenheit bekommen, sich auszulassen.
„Hast recht, Daddy“, sagte er. „Ich mein ja nur.“
„Versteh schon“, sagte Daddy.
Sam trommelte im Rap von Usher aufs Autodach. „Vielleicht drehen wir einen Streifen über die Band.“
„Mann, was für'n Streifen denn?“
„Na ja, du weißt schon. Einen Videoclip.“
„Wie, einen Videoclip?“
„Glaubst du, wir proben nur zum Spaß?“
Daddy wischte wieder und Usher verstummte.
„Mann, Sam. Drück dich mal etwas breiter aus. Wir sind nicht alle so Hirnspezialisten wie du.“
Bald hatte er Daddy soweit. „Schau mal, Daddy. Wir wollen im Styx auftreten. Spätestens im Herbst. Wäre es da nicht angebracht, ein bisschen Werbung zu betreiben, von Zeit zu Zeit was streamen, einige coole Videos produzieren?“
Das Wörtchen „angebracht“ lag exakt auf Daddys Wellenlänge. Nachrichten auf dieser Frequenz konnte er klar und deutlich empfangen. Er richtete sich auf und wuchtete sich aus dem Wagen: „Klar wär' das angebracht!“
„Das mein ich doch auch“, sagte Sam und machte Platz. Daddy war nicht gerade ein Fliegengewicht.
Daddy zog sich die Sonnenbrille von der Nase und hielt sie am Bügel fest. Daddy war bald soweit, das spürte Sam. Das Gespräch war jetzt schon breiig genug, es zog Fäden – so wie Daddy es liebte.
„Muss aber ein Profi sein“, meinte Sam.
„Wie, ein Profi?“
„Na ja. Es muss ja was rüberkommen.“
„Was redest du denn, Mann?“
Sam grinste. „Ist ganz einfach, Daddy“, sagte er. „Wir suchen einen Profi für unsere Clips. Er muss das Equipment bereitstellen und Regie führen.“
Daddy Dux schob sich die Sonnenbrille wieder auf die Nase. „Mann, Sam“, sagte er, „wenn du nicht immer so lange um den heißen Brei herumreden würdest. Sag doch gleich, dass ich das Ding für euch drehen soll.“
„Klar, Daddy“, sagte Sam. „Ich quatsch' zuviel. Aber manchmal ist das schwer angebracht.“

**Songtitel: Du Voll-Barbar**

kann ich denn vermeiden
dich so durchzuleiden haben
weiss, du findest es lustig
und schon klar, du frustest mich so derbe
-- 's ist halt voll weird, aber true

ja, ich muss den ganzen Scheiß schlucken
mich vor Dir wegducken
muss den Schwanz einklemmen
wie all die anderen Memmen

kannst ruhig ausrasten, Alter
ziehst ja alle geilen Fäden
willst mich abservieren
auf allen Vieren kriechend
-- 's ist schon true, bin weird drauf

kannst auch ruhig ausflippen
weisst schon zu wessen Lasten
darfst mich auch verhöhnen
hörst mich gerne stöhnen
-- 's ist schon true, 's ist sonnenklar

ja, ich muss den ganzen Scheiß schlucken
mich vor Dir wegducken
muss den Schwanz einklemmen
wie all die anderen Memmen

kannst mich derbe anpöbeln
dann noch fett vermöbeln
willst mich ganz vernichten
mich gezielt hinrichten
-- du bist halt voll weird, Du Voll-Barbar



**Kapitel 2: Crashpad für die Crew**

Szenenwechsel – voll der Absturz in 'ne andere Dimension. Mit Zuckerwatte-Wolken an 'nem Sirup-Himmel, so hellblau, übel surreal. Die sind da in 'nem Acker aus fetter Vollmilchschoki mit Krokant gesteckt. Links hinten war dieser Wald – entweder grüne Gummibärchen, oder doch Nougatstangen mit Waldmeisterpudding? Null Plan.

"Das da oben ist es, Bro", sagte Tom jedenfalls. Aber Freddy hat nur hochgeguckt und der Zuckerwattewolke den nächsten Akkord reingedrückt: H7. Er sah aus, als wär er grad frisch ausm Trockner geploppt: Haare voll der Messie-Look, Augen glasig, Lippen so halb wach.

Das Ding war nur: irgendwer hatte die Welt auf Zeitlupe geswitcht. Die Bewegungen – voll am Absacken. Jeder Schritt hat Jahre gekostet. Am besten, man hat sich einfach treiben lassen, Alter. Alles ist voll zerdehnt, zerflossen, verdampft. Da konnte man einfach null machen, safe.

Dann kam die Attacke, Digga, so'n Laserschwert aus dem Nichts. Das Ding hat die Zuckerwatte zerfetzt, wild in den Acker gehackt und die voll glühend zerstochen.

"Das ist die Sonne, safe", versicherte Tom, hob langsam die Hand hoch, voll in dieses glühende Herz von dieser Honigscheibe geguckt.

Freddy hat den nächsten Akkord rausgehauen: A7.

Damit war erstmal alles safe. Freddy hat gesummt, Tom hat nach krassen Metaphern gesucht, und so sind denen einfach Stunden zwischen den Schritten weggeschmolzen. Irgendwann haben sie was erreicht, was Tom als "Schatten der Rettung" bezeichnet hat. Freddy hat's voll genervt als Baum identifiziert – die Realität hat sich halt wieder in seine Birne gemischt. Als er 'ne Stunde später im Gras unterm Baum gecheckt hat, wo er ist, hat er nur gesagt: "E."

Tom lag auf dem Rücken: "Dur oder Moll?"

"Dur."

Tom hat sich auf die Seite gedreht, den Hang runtergeglotzt, zum Wald rüber, hoch in den ultra-blauen Himmel und dann über die Schulter zum Gehöft hoch. "H7, A7, E", hat er überlegt. "What you want is what you get!"

Freddy folgte seinem Blick. "Das ist es, Alter?"

"Ja."

"Stammt wohl noch ausm Dreißigjährigen Krieg, oder?"

"Das ist die Rückseite, Alter", erwiderte Tom, so als ob das den üblen Zustand erklären würde.

"Warum sind wir eigentlich nicht bis zum Gehöft hochgefahren, Digga?"

"Du kannst echt blöd fragen, Bro."

"Wieso blöd fragen, Alter?"

"Nach dem Joint wären wir keine fünf Meter weit gekommen."

"War das meine Idee mit dem Joint, Alter?"

"Nee, Alter", erwiderte Tom. "Aber dein Stoff."

"Ist das jetzt 'n Verbrechen, geilen Stoff zu haben, Digga?"

"Nee", sagte Tom so gedehnt. "Aber manchmal ist weniger halt mehr."

"Ach ja, ein guter Joint halt, Alter", sagte Freddy und er hat ergänzt: "Asus4. Aber das passte nicht. Vielleicht G7? Und dann C, gefolgt von H7 und E."

"What you get is what you need", intonierte Tom.

"Perfekt, Digga", sagte Freddy und er hat sich erhoben. "Der nächste Song war praktisch safe." Jetzt mussten sie nur noch den Sommer zum Proben abchecken, dann stand ihrem Gig im Styx nix mehr im Weg. Freddy hatte schon das Plakat vor Augen: Freddy 'n Band live im Styx. Absolut mega-krass. Und alle würden abgehen. Besonders die Girls...

Okay, die Crew hieß nicht »Freddy 'n Band«. Die hatte noch gar keinen Namen, Bro. Obwohl die schon 'n Jahr zusammen geübt haben. Aber geile Namen lagen halt nicht einfach rum, Alter. Und alle hatten null Bock mehr auf das endlose Gelaber. Keiner wollte sich noch mit Vorschlägen wie »Kernseife«, »Strychnin« oder »Affengeil« rumschlagen. Auch Toms düstere Labels wie »The NoNames« oder »Fehlanzeige« waren nicht der Burner. Freddys »The Mnemotonics« klang wie so'n komischer Drink und »Chocolate Freaks and Nuggets« hätte besser zu 'ner Mäckes-Werbung gepasst als zu 'ner Band.

Außerdem mussten die vorher noch bissl üben, Alter. Genaugenommen: mega viel üben.

Geil, dass der Schul-Stress vorbei war. Geil, dass die bisschen Kohle am Start hatten und geil, dass es Grosstante Hermine gab. Geil auch, dass Sandra, die Powerfrau, sich zur Leadsängerin berufen gefühlt hat.

"Hey Jungs", rief sie eines Nachmittags, "lasst es uns einfach tun."

"Wie tun, Alter?" staunte Freddy, "Drei Männer und eine Frau?"

"Lasst uns", rief sie unbeirrt, "unser Ding durchziehen."

"Gern, Digga, ich dreh' gleich eins."

"Lasst uns berühmt werden", rief sie. "Und zwar furchtbar schnell."

"Nichts lieber als das, Alter. Aber die Frage war doch, wie?"

"Wir müssen proben bis zum Abdrehen", sagte sie. "Proben, Proben, Proben."

"Proben?" warf Freddy ein. "Was machen wir denn die letzten Wochen in diesem lausigen Kellerloch anders?"

"Ich meine richtig proben, Bro. Nicht alle zwei Wochen mal ein bisschen rumklimpern."

"Tja", meinte Samuel. "Dann könne man aber nicht in der Stadt bleiben."

"Nicht in der Stadt, Alter?" Freddy traute seinen Ohren nicht. Welche Alternativen gab es denn zur Stadt? Eine andere Galaxie? Ein Paralleluniversum?

"Sam hat recht, Bro. Wir müssen in Quarantäne. Keine Ablenkung außer den Proben, kein Stoff außer selbst produziertem Sound."

Gmaj7, Am, H7. Freddy hat seine Les Pauls sprechen lassen. Es klang dreckig. Genauso dreckig wie Sams Vorschlag. Für Freddy gab's nix Uncoolereres als das Exil, Alter, die Verbannung aus der City, den Rausschmiss aus der Szene, seine Clubs verlieren. "Was habt ihr vor, Bro?" hat er gestöhnt.

"Wir könnten uns ans Meer verziehen", meinte Sam.

"Genau, Digga: Sonne, Sand, Spießer. Und mittendrin die Band. Wie lange sollen wir das aushalten? Etwa den ganzen Sommer? Wo willst du die Kohle herkriegen? Wo willst du wohnen?"

"Wir campen", meinte Sam.

Freddy ist ausgerastet. "Nicht mit mir, Bro. Null Chance mit euch. Außerdem muss man das Equipment unterbringen. Und wenn wir auf dem Zeltplatz stundenlang den gleichen Track ballern, machen wir uns nicht nur Freunde, safe."

"Wofür brauchen wir Freunde, wir haben ja uns." War natürlich kein Argument, wusste Sam auch.

Die vier hingen im Keller von Toms Elternhaus ab. Die Amps haben noch gesurrt, waren quasi noch heiser vom Proben. Tom saß hinterm Schlagzeug und hat gelegentlich ein Becken angetoucht. Samuel hat seinen Bass ab und zu aufbrummen lassen. Und immer wenn Freddy nix mehr sagen konnte, hat seine Les Pauls für ihn geredet. Sandra hielt ihr krasses Mikro in der Hand und meinte: "Darf ich euch mal dran erinnern, dass wir hier rausmüssen?"

Keiner hat diese üble Tatsache angezweifelt. Toms Eltern hatten die Schnauze voll vom täglichen Lärm. Die Nachbarn waren schon lange am Limit, Alter.

"Warum nicht irgendwo in der Stadt einen Raum mieten, Digga?" versuchte er.

Sandras blonder Pferdeschwanz hat voll abrupt die Seite gewechselt. "Das geht vielleicht eine Woche gut und dann kommen die ersten Ausfälle. Plötzlich hat Tom keine Zeit mehr, weil er seinen Cyberpunk fertigbringen muss. Oder unser guter Samuel verliebt sich mal wieder in eine zwanzig Jahre ältere Göttin und ist tagelang verschwunden. Und bei dir, lieber Freddy, brauche ich wohl gar nicht erst anfangen aufzuzählen. Wie war das: Sex and Drugs and Rock'n Roll?"

Keiner hat protestiert, alle haben sich voll ertappt gefühlt. Aber war das 'n Wunder? Sandra wollte ja schließlich Psycho studieren.

"Also was tun?"

Sandra fasste zusammen. "Wir brauchen einen Ort, wo wir ein halbes Jahr leben können, unter uns sind, Krach machen dürfen und wo es weit und breit keine Ablenkung gibt."

Samuel war sich sicher: "Das gibt es nicht, Bro."

Freddy meinte: "Zum Glück, Alter."

Und Tom sagte: "Du meinst das Gehöft meiner Grosstante Hermine."

Dort standen Tom und Freddy an diesem sonnigen Nachmittag, Alter, und zwar auf der Rückseite. Die hatten sich durchs fette Gras geballert, sind durchs Buschwerk gecrasht und über so 'nen kleinen Zaun geklettert. Die Rückseite vom Gehöft war mehr oder weniger eingestürzt, man konnte voll in die alten Ställe reinlinsen. Zusammengekrachte Wände, Unkraut, Büsche und so'n Baum, der sich voll in die Ruine reingefressen hat. Es hat übelst gestunken, Alter.

"Wenn der Rest nicht besser ist, Digga", kläffte Freddy, "dann können wir die Sache vergessen, Alter!"

"Nee, safe nicht", drängte Tom, der schon um die Ecke war und die Ostfront abgelaufen ist. "Hier", sagte er und klopfte gegen die Außenmauer, "sind die ehemaligen Geräteschuppen: Traktoren, Anhänger, Mähdrescher."

Freddy humpelte um die Ecke. "Verdammt", sagte er. "Ich hab mir das Bein verstaucht, Alter." Er blieb stehen und hat Tom hinterhergeguckt, der so fünfzehn Meter voraus war und fast am Ende von der Mauerfront war. Dann war er weg um die Ecke. Freddy humpelte hinterher. Als auch er um die Ecke gebogen ist, hat er den Zufahrtsweg gecheckt, so'n staubigen Feldweg, der in 'ner Schleife hinterm nächsten Hügel verschwunden ist. Die Vorderfront war fresh, nur das Eingangstor hing voll unvertrauenswürdig an rostigen Angeln. Immerhin, Toms alter VW-Bus würde safe durchpassen. "Ist ja klar", meinte dieser. "Die Traktoren mit dem ganzen Heu mussten ja auch durch."

Beim Anblick vom Hof kam von Freddy nur: E7, A7, D7, G.

Stimmt, es war voll schräg, Alter. Schräg genug, um auch Freddy zu flexen. So'n bizarrer alter Baum mitten aufm Hof, so'n Brunnen, der safe noch ausm Mittelalter stammte – da würden die Grufties in der Band safe ihre helle – sorry – dunkle Freude dran haben. Dann so 'ne breitgetretene Freitreppe mit Aufgang auf beiden Seiten und 'ner doppelseitigen, angekokelten Holztür. Verdorrtes Gras und so'n wildes Buschwerk hat den Hof überwuchert.

"Grell", sagte Freddy. "Irgendwie abgefahren. Er drehte sich in alle Richtungen. Aber eins ist sicher", sagte er dann und schnalzte mit der Zunge: "Das wird ein echt geiler Gig hier, ein chillender Rap, wenn Du so willst. Ich sag' dir nur eins: let's rap the chill:"

hey alter, komm chill mit mir
wir chillen right here
wir chill'n am Pool
H2O ist so cool

wir chill'n auch den Grill weg
was der Grill gar nicht will
dann chillen wir den Rap, Bro
und das klingt echt fett

wir chillen euch alle
ihr seid in der Falle
wir chillen euch tender
egal welches Gender

wir chillen die ganze Welt
weil uns chillen gefällt
wir chillen auch den Mond
weil nur chillen sich lohnt

wir chillen die Sonne jetzt
denn chillen ist Wonne
dann chill'n wir die Sterne, Mann
die chillen mit von ferne

dann chill'n wir das ganze All
es hat keine Wahl
denn chillen is nice
it's like paradise

's isch a gäbiger chill
the chill on the hill
the chill in the valley
we chill through each alley

's isch a gäbiger chill
it's a fantastic thrill
it's a really good game
'rap the chill' is its name


**Kapitel 3: Task Force »GTH2« und die Suche nach 'ner Crew**

Endlich wieder back in der Zivilisation, Digga. Das erste GTH2-Task-Force-Meeting? Klar, bei Toms Eltern im Keller, wo sie sonst auch immer geballert haben. GTH2, das war „GrossTante Hermines Hof“, Sandras Idee, safe. Hat sie easy gegen Toms „The Band Grange“ gebattlet. Tom hat dann gechillt, weil jeder Stress mit Sandra? Direkt Eskalation, Digga.

Freddy ballerte raus: „Das nächste Kaff? Fünf Kilometer. Kein Wasser, kein Strom, sorry, wenn ich das so sag, Tom!“ Er checkte Tom ab. „Aber sonst, Alter? Das Ding ist megageil, komplett lit!“

Tom zuckte nur die Achseln. „Hab nie gesagt, das wär'n Neubau, oder?“

„Strom muss aber schon sein, safe“, meinte Sam. Ohne seinen iPod? Undenkbar, der hing an dem Ding wie am Tropf, übelst dran.

„Drinnen ist's ungefähr so chillig wie hier“, Freddy deutete vage rum: „Schäbige Wände, Regale voll Müll, vergittertes Fenster oben – richtig abfuck, Alter.“

„Kriegen wir safe fresh, das Ding“, meinte Sandra. „Aber ohne Strom und Wasser? No way, das geht nicht.“

„Gibt 'n Brunnen“, meinte Tom.

„Bro, nicht dein Ernst, oder?“ Freddy schüttelte sich. „Ich brauch Chlorwasser, sonst fallen mir die Haare aus und die Zähne rotten weg. Hardcore.“

„Klar, Freddy, das wäre echt übel“, Tom grinste.

„Was mit 'nem Stromgenerator?“ Samuel fummelte an seinem iPod rum.

„Super Idee, echt!“ rief Sandra. „Motorlärm ist sicher voll inspirierend. Aber wir sind halt keine Heavy Metal Band, oder? Wollten wir nicht proben, chillen und krasse Songs schreiben?“

„Von meditieren war nie die Rede“, murmelte Freddy und ballerte ein Gmaj7 an.

„Das Ding gehörte meiner Grosstante Hermine“, fing Tom an.

„... checken wir doch.“
„... wissen wir doch.“
„... und nu?“
Der ganze gelangweilte Background-Vibe ging dann aus.

„GT Hermine hat da bis zuletzt gechillt“, sagte Tom. „Also müssen da auch Stromleitungen sein. Die Frage ist nur, kriegen wir das E-Werk dazu, den Saft wieder anzustellen?“

„Im Notfall zapfen wir 'ne Überlandleitung an, Digger“, fand Freddy.

„Klar, Freddy“, sagte Sam. „Vielleicht gibt's ja auch 'n Atomkraftwerk direkt um die Ecke. Dann holen wir uns den Strom halt eimerweise ab. Mega.“

„Was geht jetzt?“ beendete Sandra das Gelaber.

„Ich frag mal Theo“, sagte Tom.

„Theo?“ sagte Freddy. „Das ist doch nicht der Verwalter eurer krassen Anwesen, oder?“

„Mein Grossonkel. Der kriegt das von GT Hermine.“

Freddy hatte direkt so'n Bild im Kopf: fetter Bauer, Gummistiefel, Milchkanne am Start, jagt Kühe durch die Gegend. Komplett wild.

„Nicht ganz“, meinte Tom. „Aber 'n Freak ist der schon, safe.“

„Und was ist mit Verpflegung?“ meinte Sam.

„Essen kriegen wir easy im Dorf“, sagte Tom.

„Oder wir ballern den VW-Bus mit Dosen voll: Ravioli, Fisch, Fertigzeug, H-Milch, Wasser, paar Kisten Bier, Digga.“ Freddys Augen glänzten. „Und wenn das alles weg ist, fahren wir in die nächste City, räumen den Laden leer, machen 'n kleinen Abstecher in ein paar geile Kneipen und dann wieder zurück in unser Land-Schulheim, wo wir uns für zwei Wochen eingraben.“ Am liebsten wäre er direkt losgezogen, um zu shoppen und in der nächsten Szenenkneipe abzufeiern.

„Oder wir legen 'n Gärtchen an: Bohnen und Möhren.“ Freddy musste seinen Joint, den er gerade drehte, weglegen – Lachflash, Alter. Aber dann hat er gecheckt, wie krass seine eigene Idee war und meinte: „Genau! Nur kein Gemüse, sondern Gras anbauen!“

„Noch irgendwas?“ knurrte Sandra. „Wir haben echt keine Zeit für so'n Quatsch.“

„Ja, ja“, meinte Freddy. „War ja nur so 'ne Idee.“ Er machte seinen Dübel fertig, ließ es knistern und schaute hoch: „Aber Selbstversorgung ist schon fresh.“

„Genau“, meinte Tom. „Dafür brauchen wir aber 'ne Küche, die rockt. Und wenn wir da nicht auch pennen wollen, müssen wir renovieren. Und das heißt: Arbeit.“

„Arbeit?“ sagte Freddy. „Nie gehört, Bro.“

„Dreck rausballern, Fenster dicht machen, Türen fixen.“ Tom gab der Basstrommel ein paar Tritte.

„Und damit die Kreativität am Start bleibt, sollte jeder seinen eigenen Rückzugsort haben“, philosophierte Samuel.

„Wir pflanzen dir den iPod ins Hirn, dann ist schon einer weniger.“

„Voll der Brüller“, fand Samuel und nahm den Joint entgegen.

Tom meinte: „Wenn das Wetter mitspielt, können wir alles draußen machen: essen, proben, pennen.“

Freddy stöhnte: „Und wie lange soll dieser Pfadfinder-Vibe gehen?“

„Bis unser Set steht“, meinte Sandra. „Bis wir die fehlenden Songs haben. Bis wir perfekt sind.“

„Ach so“, sagte Freddy. „Du willst nur ein paar Tage bleiben, safe.“

„Das wird eher Jahre dauern“, meinte Sam.

„Ein Sommer reicht“, meinte Sandra hartnäckig.

„Ein ganzer Sommer?“ echote Freddy. „Und nur wir vier? Das halt ich nicht aus, Alter.“

„'Chicks for free' gibt's danach, Digga“, lästerte Sam.

„Nein, nein, nein!“ rief Freddy. „Jeder von uns ist als Individuum ja mega genial. Aber als WG? Komplett Fiasko, Bro.“

„Du meinst als Landkommune“, korrigierte Samuel.

„Genau! 'Ne Gang von Neo-Hippies, komplett ausgerüstet mit dem ganzen Tech-Schnickschnack von heute: iPhone, iPod, iMac, Konsolen und 'nen Highway ins WWW. Internet-Junkies und Youtuber unter sich. Und mit übelst viel Musikequipment, safe.“

Das fand Samuel allerdings mittlerweile mega out.

Aber das Equipment-Ding hatte noch ganz andere Dimensionen, Alter. Brauchen die eigentlich auch 'n Kühlschrank, Waschmaschine, Spülmaschine? Gab's 'nen Herd, und wer konnte überhaupt kochen? Betten? Roste, Matratzen? Oder mussten die Wochen im Schlafsack draußen gammeln? Duschen, Toiletten – war da was?

Das Ganze wurde zum kompletten Logistik-Alptraum, Digga. Unmöglich, das allein zu regeln. No chance.

Nach krassen Diskussionen und einigen komplett abgedrehten Weed-Assoziationen haben sie's gecheckt: Eine Crew muss her, safe.

---

**Songtitel: Weed**

weed weed
do you think it's sweet sweet
I feel nice on my feet feet
I surely need to eat eat
whatever you could feed feed

[chorus]
just turn a funny leaf
find the laughter underneath
we hover all the way down
and take the crown of a clown

weed weed
could you please just beat beat
all the drums we need need
but slow down your speed speed
cause I just feel so neat neat

weed weed
its a gaze of heat heat
like a dusty sheet sheet
sail in a canabic fleet fleet
my mind will start to breed breed

---

Also, 'ne Crew musste her. Na klar. Warum nicht? War ja auch voll easy, Kids zu finden, die Bock hatten, Zeit, Geld und auch noch arbeiten wollten. No front.

„Bizarre Illusion“, meinte Sam.

„Warum nicht?“ sagte Freddy sarkastisch. „Wer will nicht mal für ein paar Monate raus aus der City und rein in die Stille? Keine Kneipen, kein nerviges Kino, keine Feten, keine Einladungen zu langweiligen Parties, nix, was ablenkt? Nur die krasse Luft und das Grün der Natur, Digga.“

„Danke, Freddy“, sagte Sandra. „Aber mal im Ernst: Wir müssen denen das halt ein bisschen schmackhaft machen. Feten können wir da draußen auch starten. Ich kapier echt nicht, Freddy, was du gegen würzige Luft hast. Das Zeug, das du rauchst, riecht auch nicht viel anders.“

„Wirkt aber besser“, behauptete Freddy.

„Irgendwelche Vorschläge?“ fragte Sandra.

„Paul Plot“, sagte Freddy.

Sandra runzelte die Stirn: „Dein Kiffkumpel?“

„Ja, mein Kiffkumpel, Alter.“ Freddy grinste. „Paul ist immer ready für alles, außer vielleicht Arbeit. Und er ist Kellner und voll anspruchslos.“ Es klang wie ein Statement zu Tierhaltung.

„Warum nicht“, sagte Sam.

Freddy strahlte: „Den köderst du easy: Free Food. Ab und zu 'n Joint. That's it, Bro.“

Sandra packte Tini auf die Liste und Tom kriegte direkt 'nen Schlag in die Magengrube. Aber Tom krümmte sich nur lautlos und alle anderen hielten sich raus. Also: Tini, safe.

„Was ist mit Igor?“ meinte Freddy.

„Nein!“ schrien alle. „Nicht dieser Laber-Typ!“ Freddy zog seinen Vorschlag zurück. „Dann machen wir halt 'ne Casting-Show“, schlug er vor.

Das klang gut. Aber welches Profil die Leute haben sollten? Komplett unklar, Alter.

„Die Kriterien sind easy“, sagte Sam.
„Welche Bands feierst du?“
„Welche Brands findest du cringe?“
„Kannst du 'n Nagel reinballern?“

„Alter, sind wir elitär!“ rief Sam in gespielter Verzweiflung.

„Ja“, meinte Freddy, „zum Glück, Bro.“

„Wir brauchen Universalgenies“, sagte Tom.

„Dux!“ kam es gleich zweimal. „Der kann quasi alles: bohren, hämmern, sägen, Karre fixen. Rechner installieren und zur Not auch Haare schneiden.“

Das stimmte. Daddy Dux, weil er immer so Rapper-Moves am Start hatte, war ein Technik-Freak, Alter. Von der Karre bis zur Videokamera – der konnte alles. Und sein Alter war auch noch Bauunternehmer. Geräte, Trucks, Material – das ganze Zeug von so 'ner krassen Einrichtungsshow war damit am Start.

„Und ihr glaubt“, meinte Freddy, „dass Daddy Dux seine nächtlichen Raubzüge durch die Rapper-Clubs einfach droppt und sich freiwillig dem ländlichen Vögelgezwitscher aussetzt? No front, das ist wild!“

„Kommt schon“, sagte Tom. „Wir machen einfach 'nen Rap für Daddy.“

„Okay“, sagte Sam, „das könnte safe klappen.“

„Was ist mit Frauen?“ fragte Freddy.

„Was soll damit sein?“ zischte Sandra.

„Ich mein' ja nur“, antwortete Freddy. „Damit Daddy sich wohlfühlt, Digga.“

„Spinnst du jetzt?“ knurrte sie.

„Money?“ versuchte es Tom.

„Quatsch“, sagte Freddy. „Kohle hat der genug, Bro.“

Daddy Dux wurde immer wichtiger, je unerreichbarer er schien. Komplett wild.

Der nächste Vorschlag kam von Sam: „Wie wär's mit Undine?“

„Undine?“ unkte Sandra. „Diese Zicke?“

„Die ist nicht zickiger als du“, konterte Sam.

„Was soll das?“ meinte Tom. „So kommen wir nicht weiter.“

Damit hatte er komplett recht. Sandra war still, Sam hielt sich zurück und Undine wurde Crewmitglied. Ohne es auch nur zu checken, klar.

Auf ihrer Crew-Liste standen jetzt: Tini, Paul, Undine und Daddy Dux.

„Wer holt jetzt Daddy ab?“

Keiner hatte Bock. Die nächsten Diskussionen waren einfach nur unklar und voller kleiner Zankereien, Alter.

Danach war Funkstille. Ein Tag. Zwei Tage. Drei Tage. Dann schickte Tom 'ne Message an alle. Betreff: „Wanted - Daddy Dux. Wir brauchen ihn, am besten lebend, Bro.“

Samuel checkte es, sah plötzlich so'n Western-Film ablaufen, ein Duell in der Mittagshitze, Staub und komplette Stille und dann so'n Schuss und jemand schreit: „Klappe, die Fünfte!“

Uff, genau DAS war es!

Sam ging direkt auf Reply und schrieb: „Ich weiß, wie wir die alle kriegen. Alle. Jeden. Safe. Garantiert, Alter!“

Ein kompletter Sturm brach los, die Handys glühten, der E-Mail-Verkehr war am Kollaps und praktisch das ganze Internet schrie: „Samuel, meld dich sofort, Digga!“

Aber Sam hatte alles Mobile ausgemacht, ließ sich nicht anskypen, anzoomen, anpushen, der reagierte nicht auf Messages, nicht auf E-Mails und spielte Mr. Offline. Krass.

„Der ist mit seinem iPod in den Untergrund gegangen“, vermutete Freddy.

„Ein finaler Sturz mit dem Skateboard“, sagte Tini.

„Ach was“, meinte Tom. „Der sonnt sich einfach wieder in seiner Genialität.“

„Ja“, stöhnten die anderen. „Der alte Streber.“

Und dann kam ganz oldschool per E-Mail folgendes Bulletin rein:

„Leute, wir machen die Crew zum Filmteam. Checkt ihr? Wir ballern einen Streifen. Dux ist Regisseur, Undine ist die Cutterin, Paul (der Armleuchter) wird Beleuchter. Wir produzieren ein Videoclip: von der Band, dem Hof, den Proben und der Crew. Wir streamen es, wir stellen es auf YouTube, posten es auf jeder Plattform, wo die Welt sich grad ihren Kick holt. Das wird mega, das wird krass geil. Niemand, das garantiere ich euch, lässt sich diesen Hype entgehen. City Kids, wir lieben euch!“

---

**Songtitel: city kids**
[verse]
city kids, fooling around in the park
city kids, getting drunk in the dark
city kids, spilling blood in the night
that's the way, city kids feel alright

[chorus]
we love to feel like city kids
we'll never miss good body hits
we love to cry like city kids
we kid and bit and hit
we are fantastic shit

[verse]
city kids, smooking weed all day
city kids, don't even know what they play
city kids, running mad in a mall
that's the way, city kids do it all

[chorus]
we love to feel like city kids
we'll never miss good body hits
we love to cry like city kids
we kid and bit and hit
we are fantastic shit

[verse]
city kids, doing what ever they want
city kids, don't need no money from their aunt
city kids, snack on potato chips just for fun
you know, we're always on the run


**Kapitel 4: Headhunting: Die krasseste Mission**

Ey, jetzt ging's ab! Die Jagd, Alter, die ging los! Die Headhunter waren am Start, fette Kohle für die Köpfe wurde ausgelobt, und es wurde gecheckt, was geht.

Der übelste Brocken? Daddy Dux, Alter. Tom checkte Sam ab.
Klar, Alter, meinte der. Daddy? Der hat safe 80 Kilo auf den Rippen.
War nicht immer so, meinte Tom. Habt ihr nicht mal zusammen in der Halfpipe abgehangen?
Jo, Sam so, klar. Aber das ist echt ewig her, dass ich mit Daddy durchs Vert gepusht bin.
Bring ihn mal aufs Flat, meinte Tom.
Sam lachte: OK, check, überredet.
Aber Dux hatte schon längst andere Karren am Start.
Keine Zeit, quengelte der so ins Handy.
Was? Du willst mit mir labern? Wofür, Alter?
Muss das jetzt echt sein?
Ey, Mann, ich muss meine neue Karre abfeiern.
Morgen? Na gut, Mann. Wenn's sein muss, ey.

Freddy hatte sich Paul Plot vorgenommen. Eigentlich 'ne easy Nummer. Aber Paul Plot? Der war einfach weg, Alter.
Kein Plan, wo der ist, meinte Klaus. Wenn du ihn siehst: Der soll sich hier echt nicht mehr blicken lassen. Soll woanders Bier zapfen, der Penner.
Freddy nickte nur und versuchte es im Styx.
Schon wieder voll am Saufen, vermutete Sigi und kippte sein Bier in einem Zug weg. Ruf ihn doch an, Alter.
Ja, super, meinte Freddy. Was glaubst du, was ich seit Tagen versuche, digga?
Hast du's schon in seinem Kellerloch gecheckt?
In welchem Kellerloch, Alter?
Im Greterareal, so zwischen den Müllcontainern und Industrieabfällen, weißte?
Klingt geil. Freddy schüttelte sich so richtig.
Klingt nach Paul Plot, Alter, meinte Sigi und orderte 'ne neue Runde.
Sigi war und blieb einfach ein Arschloch. Aber sein Tipp war voll der Hammer. Ein total verkaterter Paul Plot machte die Tür auf, grinste, als er Freddy checkte und so: Was geht denn heute ab?
Drinnen: so ein dunkles Loch, Blick auf 'ne alte Fabrik und Möbel, die aussahen, als wären sie aus den letzten Sperrmüllaktionen zusammengestöpselt worden.
Grüße von Klaus. Du sollst dich verpissen, Alter.
Danke, meinte Paul und kam mit 'nem Bier aus der total zugemüllten Küche zurück. Freddy war echt kein Weichei, aber in dem Drecks- und Gestank-Desaster fühlte sich selbst er nicht wohl.
Was geht denn ab, fragte der.
Was soll abgehen? meinte Paul und köpfte das Bier.
Du gehst nicht ans Handy, schmeißt deinen Job hin, hängst hier in 'ner Müllkippe rum und fragst noch, was abgehen soll?
Paul chillte sich hin. „So bin ich halt, Alter“, meinte der und setzte die Flasche an.
Freddy suchte vergeblich 'nen Platz zum Chillen.
Hast du was zu smoken?
Freddy nickte.
Setz dich, digga, meinte Paul und schob so 'nen Stapel Klamotten zur Seite.
Freddy ließ sich so zaghaft nieder. Na gut, meinte der. „Lass uns mal die Barrieren der Realität einreißen, Alter!“
Wie, Alter?
Statt 'ner Antwort hielt er Paul so voll bedeutungsvoll 'ne Tüte hin. Der machte so ein anerkennendes Schmatzen, streckte die Hand aus und griff ins Leere, Alter. Freddy hatte den Joint aber plötzlich zurückgezogen.
Was geht, Mann?
Aber Freddy schwieg voll verzückt. Dem kam so ein krasser Gedankenblitz.
Mann, ey, meinte der nur. Das ist es, digga!
Krieg ich jetzt die Tüte, Alter? quengelte Paul.
Freddy triumphierte: Du kriegst nicht nur eine Tüte, du kriegst voll viele Tüten, Mann!
Mir reicht erst mal eine, Alter.
Freddy lachte. „Paul, Alter,“ meinte der, „was ist schon ein Joint, wenn man an die Unendlichkeit denkt?“
Unendlichkeit, Alter?
„Paul, Alter,“ meinte Freddy, „lass dir keine grauen Haare wachsen. Ich check's dir.“ Und Freddy laberte ihm seinen Plan, Alter, ein total genialer Plan.
Cool, meinte Paul. Megacool, digga.
Klar, dass der unter diesen Umständen sofort Crewmitglied wurde, safe. Dann haben die sich voll der Tüte gewidmet, sind im Müll von Pauls Bude versunken und haben sich über so ein altes Sandwich totgelacht, das quasi mit schrägem Maul aus Pauls Unterhemd grinste und aussah wie Sandra, Alter.

Safe, meinte Tom zu Sam. Das mit Undine krieg ich hin.
Klar, Alter, kriegst du das hin.
Sag ich doch.
Ich mein' ja nur, digga.
Was willst du eigentlich von der?
Ich, Alter?
War doch dein Vorschlag, die mitzunehmen.
Klar. Irgendwer muss ja auf die Quote achten, Mann.
Welche Quote?
Na die Frauenquote. Oder hältst du's mit Typen wie Daddy Dux und Paul Plot wochenlang aus, Alter?
Kein Plan, meinte Tom. Aber warum ausgerechnet Undine?
Die ist voll kuscheluntauglich, Alter.
Wie?
Na die ist voll tough.
Und das findest du gut?
Irgendwie schon, man.
Was ist mit Gabi?
Du meinst doch nicht Freddies Schwester, Alter?
Doch, genau die.
Sam grinste. Hast du die beiden schon mal zusammen erlebt, digga?
Nee, hab ich nicht.
Das wünsch ich dir auch nicht. Eine Dosis Strychnin ist voll Nervenbalsam dagegen, Alter.
Kein Wunder, dass die sich nicht vertragen. Manchmal könnte ich Freddy schon auch...
Klar, der nervt. Aber wenigstens bringt der Leben in die Band. Jede geile Band, die wenigstens ein bisschen was auf sich hält, braucht doch ihren Keith Richards, Johnny Rotten, oder Pete Doherty, Alter.
Tom grinste: Sandra als Mick Jagger ist aber wohl eher 'ne Fehlbesetzung.
Wie auch immer, meinte Sam. Schaff Undine ran, Alter.

Aber dann war es Sam, der Undine traf, und zwar genau da, wo sie beide voll gequält wurden. Hatten die nicht alle geschworen, die Stromberg-Schule nie wieder zu betreten? Und jetzt waren die gerade mal ein paar Wochen mit dem Abi durch und irrten schon wieder durch diese finsteren Gänge. Wie so Bad Guys und Bad Girls, die man zum Strafappell zitiert hat, Alter. Na ja. War kein echter Rückfall, auch kein krasser Bruch ihrer Schwüre. Das waren so schulische Nachwehen: Bescheinigungen für dies und das.
Aber irgendwie voll komisch: Sam und Undine. Eigentlich gab's da nix zu labern. Außer, dass die in der gleichen Klasse waren. Außer, dass die sechs Jahre die gleichen Lehrer hatten und unter dem gleichen Scheiß gelitten haben. Außer, dass die sich einfach ignoriert hatten. Er fand sie tough, aber voll versnobt. Sie fand ihn läppisch und irgendwie kindisch. Allein schon das Skateboard. Dann diese blödsinnigen weiten Jeans mit den Arschtaschen bis zu den Kniekehlen. Und dann dieser Kapuzen-Tick. Selbst im Hochsommer! Klar, der spielte in Toms Band. Und ja, der war ein musikalisches Genie. Aber war der eigentlich nett? Musste man den beachten? Und jetzt stürzte der aus dem Lehrerzimmer und lief ihr direkt in die Arme, Alter.
Sorry!
Keine Augen im Kopf?
Samuel, oder Sam, wie er inoffiziell hieß – der Unnahbare, der Witzbold, der Typ mit dem ewigen Glitzern in den Augen. Restless legs, restless brain und restless auch der Rest, Mann. Aufgewachsen bei seiner Oma, so 'ner Hippie-Pipi-Flower-Power-Tussi, 68er-Veteranin, Bachblüten-Freak, Dritte-Welt-Laden-Tante. Aber Sam liebte sie. Die hatte ihm alles gegeben und ihn machen lassen, was er wollte, ey. Alleinerziehend, dann plötzlich mit Udo. Nur das nahm Sam ihr übel. Zwar waren seine Zähne jetzt voll in Ordnung, aber die Psycho-Erziehungs-Nummern von Udo saßen. Wenn Sam was ausgefressen hatte, drohte Udo ganz unverblümt an, er müsste mal wieder seine Zähne checken. Klar, Udo war Zahnarzt, der Penner.
Hi Undine, sagte der so.
Undine lachte. Das war voll die Überraschung. Es war das erste Mal, dass die Sam ihr Lachen schenkte. Sam hörte das ganze Gelächter, Gegigger und Gequitsche der letzten Jahre. Den ganzen Quatsch in den Pausen, das Gekicher auf den Klassenfahrten und das Gemurmel zwischendurch. Nie hatte sie ihn auch nur beachtet. Und jetzt? Weg war das Ätherische von Klasse 9-13. Vor ihm stand so 'ne bauchnabelfreie Göttin, 'ne in Cowboystiefel und Pants gegossene Madonna, so 'n Maneater der krassen Sorte. Nur: Die schien ihn gar nicht fressen zu wollen. Denn die lachte immer noch.
Ja ja, meinte die lächelnd. Einmal Streber, immer Streber.
Oh Undine, die lästernde Göre, gnadenlose Diva. Aber so war sie eben. Rothaarig, vornehm blass und voll angriffslustig. In ihrer Clique war's geil, es den Boys zu zeigen. Manchmal machte sie das immer noch. Besonders, wenn's eng wurde. Und die plötzliche Nähe zu Samuel machte es voll eng.
Aber sie hatte 'ne Kleinigkeit übersehen. Sie war ja auch noch im Schulgebäude, Alter.
Ja ja, erwiderte Sam. Die Liebe zum Deutschlehrer hält ewig, Alter.
Und so ging's weiter. Ohne es zu checken, kamen die nach draußen, schlurften durch so ein paar Nebenstraßen und landeten im Café Atlantis. Die richtige Frage wäre jetzt gewesen: Was machen wir hier eigentlich zusammen? Aber niemand fragte. Die laberten über Mucke, die Zukunft und das Band-Projekt.
Nach zwei Wochen spätestens könnt ihr euch nicht mehr ab, prognostizierte Undine.
Wir können uns jetzt schon nicht ab, erwiderte Sam, Alter.
Witzbold. Was glaubst du, was Tom macht, wenn Sandra und Tini vor seinen Augen rummachen?
Kein Plan. Ich dachte, emotionale Tiefschläge wären gut für die poetische Power. Schließlich ist der Songwriter, Mann.
Und Freddy. Entweder der kifft, oder der nervt oder beides.
Touché, meinte Sam. Aber du übertreibst voll, Alter.
Und was ist mit dir? Mit Skateboarden ist auch nichts auf der grünen Wiese, oder?
Undine hatte schon recht, auch wenn die Reduzierung seiner Person aufs Skaten nicht wirklich fair war. Das Ganze hatte voll viele Haken.
Mit mir ist soweit alles klar. Vorausgesetzt, du kommst mit, Alter.
Was war das? Hatte sie sich verhört? Nee, wohl kaum. Sam grinste die so frech an und zog die Augenbrauen hoch.
Klingt interessant, sagte die. Aber was soll ich da?
Und jetzt fing Sam an, seine krassen Trümpfe auszuspielen. Erzählte vom Videoclip, ihrem geplanten Auftritt im Styx und dass die noch jemanden bräuchten, der das Drehbuch schreibt und cuttet.
Undine sah ihn ungläubig an. Du meinst mich?
Du hast doch diese durchgeknallte Story geschrieben, über diese Schauspielerin in so 'ner Galerie. Wie hieß das noch mal, Alter?
Die lachte auf: „Hannas Untergang“.
Richtig. Da geht's doch um 'n Filmset, um Kamera-Stuff, Licht und so, Alter.
Ja, schon.
Na also, Mann.
Undine war sich unschlüssig: Ja, schon.
Dux macht die Aufnahmen, du die Texte, Alter.
Ich bin nicht unbedingt ein Fan von Daddy Dux, sagte Undine. Zuviel Rapper-Gedöns.
Ich seh sonst niemanden, meinte Sam, der das nötige Equipment hat und die Zeit und Ausdauer, Alter.
Ja, Daddy Dux war ein Terrier. Hatte der sich in 'ne Sache erstmal verbissen, ließ der so schnell nicht mehr davon ab. Vielleicht, dachte Undine, ist Sam auch so 'ne Kategorie und er fing an, sich in sie zu verbeißen.
Aber aus uns beiden wird wohl eher nichts, meinte sie jetzt und rührte Milch in ihren Kaffee.
Sam schluckte. Ist das ein JA, Alter?
Die legte den Löffel auf den Tisch. Ja, das ist ein Ja.
Geil, fand der.
Mal sehen, sagte die. Die Idee mit dem Videoclip ist jedenfalls ganz nett.
Eine halbe Stunde später waren die schon fast im Kino. Die laberten über zeitlose Filme und aktuelle Streifen, über mega-coole Schauspielerinnen, geile Schauspieler und fähige Regisseure, Alter.


**Kapitel 5: Check, Daddy, safe!**

"WAS, Alter, wollt ihr?!" Dux, der alte Mann, hat da so rumgemurrt. Der hing da in seiner fetten Karre, Tür aufgerissen, ein Bein lässig rausgebaumelt. Sam hat sich so im Spiegelfenster von Daddys Sonnenbrille gecheckt: sah aus wie voll die kleine Fliege, so'n Fliegenschiss, digga.

Sam so, Hand auf die Karrentür, voll so zu Dux runtergebeugt: "Wir verpissen uns aufs Land, Alter. Die Band muss wieder krass sein, checkste? Gönnen uns so den ganzen Sommer, Bro."

Dux hat auf seinem Touchscreen so rumgewischt, kein Plan was er da treibt: "Welchen Sommer, ey?"

"Jo, Sam so. Ist doch eh voll die Hitze hier in der City, Digga. Der ganze Scheiß-Qualm hier, dieser übelste Krach. Das fickt dich nur ab, Alter."

"Ich brauch den Scheiß halt," meinte Daddy und hat da so rumgescrollt und gewischt, voll egal.

"Safe, Daddy. Kennen wir doch, Bro. Aber auf Krach musst du nich verzichten, no cap. Wir werden so krass proben, du wirst Augen machen."

Usher ballerte so rein: "You Make Me Wanna." "Ey Mann," Dux so, ganz entspannt. "Du weißt doch, euer Sound ist halt nich so mein Vibe, Alter."

"Klar, Daddy. Checken wir. Aber dafür nehmen wir noch paar richtig geile Girls mit, safe."

Daddy schob die Sonnenbrille auf seine Nasenspitze und hat Sam so voll gemustert. "Ich feier dich, Sam. Du bist'n Skater, du weißt, wie man in der Halfpipe richtig abgeht, digga. Aber von Chicks hast du null Plan, Digga."

"Klar, Daddy. Check ich doch. Aber Chicks sind ja auch nicht das Einzige, oder?"

Dux so, Brille hochgeschoben. "Was für'n Bullshit laberst du da, Mann?"

Sam hat echt nur Bullshit gelabert, no front. Und er fand's mega witzig, Alter. Diese Rappertypen fand er einfach nur zu krass, Digga. Dieser ganze Scheiß mit den fetten Karren, den Titten-Girls, halb nackt, und diese voll krassen, aufgesetzten Gesten – übelst cringe. Und du konntest Daddy Dux eh nie direkt fragen, Bro. Das waren halt so Rituale, safe. Daddy musste erst mal richtig abgehen können, bevor er klar kam.

"Hast recht, Daddy," Sam so, lässig. "Ich mein ja nur, Alter."

"Check ich schon, Alter," sagte Daddy.

Sam hat so im Takt von Ushers Rap aufs Autodach getrommelt, voll der Vibe. "Vielleicht drehen wir so'n krassen Streifen über die Band, Digga."

"Ey Mann, was für'n Streifen, bitte?!"

"Na ja, du checkst doch, Bro. So'n Videoclip, safe."

"WAS, Videoclip?! Ernsthaft?"

"Denkst du, wir proben nur so zum Spaß, Alter?"

Daddy hat wieder so rumgewischt und Usher war einfach weg, kein Ton mehr.

"Ey Sam, laber mal keinen Scheiß und komm auf'n Punkt, Digga! Wir sind nich alle so Brain-Freaks wie du, Alter."

Sam hatte Daddy bald so weit, Alter, voll easy. "Guck mal, Daddy, no joke. Wir wollen im Styx abgehen, safe. Spätestens im Herbst, no cap. Wär's da nich voll am Start, so'n bisschen Promo zu machen, ab und zu mal was streamen, richtig geile Videos ballern?"

Dieses eine Wort, "angebracht", das war voll Daddys Vibe, Alter, hat er direkt gecheckt. Nachrichten auf der Frequenz? Die hat er direkt gecheckt, hundertpro. Der hat sich so aufgerappelt und sich aus der Karre gewuchtet, wie'n Bulle: "Klar wär das angebracht, no cap!"

"Das mein ich doch auch," Sam so, und macht so Platz. Daddy war halt kein Fliegengewicht, der Typ war ein Schrank, Digga.

Daddy hat sich die Sonnenbrille von der Nase gerissen und sie am Bügel festgehalten, voll ernst. Daddy war bald am Start, Sam hat das voll gespürt, safe. Das ganze Gelaber war schon so richtig matschig, hat Fäden gezogen, so wie Daddy es halt gefeiert hat, Digga.

"Muss aber ein Profi sein," meinte Sam, kein Scheiß.

"Was für'n Profi jetzt?"

"Na ja, Digga. Muss ja auch was rüberkommen, checkste?"

"Was für'n Scheiß laberst du denn da, Mann?"

Sam hat so grinsend da gestanden. "Ist doch voll easy, Daddy," Sam so. "Wir suchen so'n Profi für unsere Clips, Alter. Der muss das ganze Equipment am Start haben und die Regie ballern."

Daddy Dux hat sich die Sonnenbrille wieder voll auf die Nase geschoben, kein Bock mehr. "Ey Mann, Sam," so Dux, "wenn du nicht immer so lange um den heißen Scheiß rumlabern würdest! Sag doch gleich, ich soll den Scheiß für euch drehen, Alter."

"Safe, Daddy," Sam so. "Ich laber halt zu viel Scheiße. Bin halt so'n Total-Barbar, digga, no front. Aber manchmal ist das halt voll krass angebracht, safe!"


Songtitel: Du Total-Barbar

kann ich denn vermeiden
dich so zu durchleiden
weiss, du amüsierst dich
und schon klar, du frustrierst mich
-- 's ist halt sonderbar, wie wahr

ja, ich muss das alles schlucken
mich vor Dir wegducken
muss den Schwanz einklemmen
wie all die anderen Memmen

kannst ruhig grell ausflippen
ziehst ja alle geilen Strippen
willst mich abservieren
kriechend auf allen vieren
-- s ist schon wahr, bin sonderbar

kannst auch ruhig auszurasten
weisst schon zu wessen Lasten
darfst mich auch verhöhnen
hörst mich gerne stöhnen
-- s ist schon wahr, s ist sonnenklar

ja, ich muss das alles schlucken
mich vor Dir wegducken
muss den Schwanz einklemmen
wie all die anderen Memmen

kannst mich derb anpöbeln
dann noch fett vermöbeln
willst mich ganz vernichten
mich gezielt hinrichten
-- du bist halt sonderbar, Du Total-Barbar



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